Der ehemalige Direktor des Tessiner Elektrizitätswerks AET ist am Donnerstag zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt worden. Das Strafgericht Lugano sprach ihn im Zusammenhang mit dem Kauf einer Firma der ungetreuen Amtsführung schuldig.
Richter Claudio Zali betrachtete es als erwiesen, dass der ehemaliger AET-Direktor Reto Brunett seine Position ausnutzte, um den Preis der Aargauer Firma „Zimmerli Energie-Technik (ZET)“ künstlich in die Höhe zu treiben. Das sei umso verwerflicher, als dass es sich bei der AET um ein Unternehmen in öffentlicher Hand handele.
Der zweite Angeklagte, der frühere Geschäftsführer der ZET AG, wurde zu einer bedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Er muss eine Geldstrafe von 20’000 Franken zahlen, Brunett wurden 12’000 Franken auferlegt. Gemeinsam müssen sie der AET eine Entschädigung in der Höhe von rund 2 Millionen Franken leisten.
Dieser Betrag entspricht dem effektiven Preis, den die AET Ende 2008 für die ZET AG zahlte – acht Monate, bevor diese in Konkurs ging. Zwar habe auch der Verwaltungsrat in die Übernahme eingewilligt, sagte der Richter. „Doch sind dem Gremium wichtige Informationen zum wahren Wert der Firma vorbehalten worden.“
Kaufpreis zu hoch
Der Kaufpreis von 4,6 Millionen – von dem letztendlich nur eine Rate bezahlt wurde – sei wissentlich zu hoch kalkuliert worden, erläuterte der Richter weiter. Ziel war es, den damaligen Geschäftsführer daran verdienen zu lassen. 500’000 Franken seien wiederum in die Taschen des damaligen AET-Chefs geflossen.
Der Richter stellte allerdings nicht in Frage, dass es sich bei dem Geldtransfer um die Rückzahlung eines privaten Darlehens gehandelt haben könnte. So hatten es die Beschuldigten erklärt. Gemäss Urteil ist der Straftatbestand der Bestechung nicht erfüllt.
Die Angeklagten reagierten sichtlich geschockt auf die Gefängnisstrafe. Die Verteidigung hatte auf Freispruch plädiert und Schadenersatz von über 2,5 Millionen Franken für den Ex-Direktor gefordert. Brunetts Anwälte kündigten an, das Urteil weiterzuziehen.
Nicht politisch motiviert
„Das Urteil ist nicht politisch motiviert“, betonte Richter Claudio Zali gleich zum Einstieg seiner Urteilsbegründung. „Brunett soll auch nicht als Sündenbock herhalten.“ Zali spielte damit auf das grosse öffentliche Interesse an der AET und deren politische Verflechtung im Tessin an.
Die Azienda Elettrica Ticinese befindet sich vollumfänglich im Besitz des Kantons. Brunett und der ZET-Gründer hatten im Prozess diverse Vorwürfe gegen das Unternehmen erhoben. Unter anderem sagten sie, der Verwaltungsrat habe die ZET im Jahr 2009 – nach der fristlosen Entlassung Brunetts – absichtlich gegen die Wand laufen lassen.
Die AET – Zivilklägerin im Prozess – sah sich in ihren Entscheidungen durch das Urteil bestätigt, wie das Unternehmen in einem Communiqué schrieb. Die Fakten, die zum Prozess führten, seien der Grund gewesen, sich 2009 von dem Direktor zu trennen.
Unternehmen durchleuchtet
Brunett hatte 2007 bei der AET begonnen. Nach seinem Antritt gab der Bündner eine Expertise in Auftrag, um das Unternehmen zu durchleuchten. Als der kritische Bericht in die Hände der Medien geriet, musste sich die AET den Vorwurf der Misswirtschaft gefallen lassen. Brunett hatte den Prozess daher im Vorfeld als Seitenhieb bezeichnet.