Ausgerechnet am 1. Mai hat die Gewerkschaftsbewegung eine ihrer prägendsten Figuren der letzten beiden Jahrzehnte verloren. Der frühere Berner SP-Nationalrat André Daguet ist einen Monat vor seinem 68. Geburtstag gestorben, wie die Unia am Freitag mitteilte.
Die Gewerkschaft Unia verliere mit ihrem ehemaligen Geschäftsleitungsmitglied einen guten Freund, engagierten Gewerkschafter und profilierten Genossen, der entscheidend an der Entstehung der Unia beteiligt gewesen sei.
Bis zum Schluss habe er sich trotz seiner schweren Krankheit intensiv und mit grossem Optimismus am Meinungsaustausch und an politischen Diskussionen beteiligt.
Kampf für gerechtere und sozialere Welt
Daguet habe sich Zeit seines Lebens mit voller Kraft für eine gerechtere, sozialere Welt eingesetzt. Von 1980 bis 1986 war er Zentralsekretär von Amnesty International, anschliessend leitete er während zehn Jahren das Generalsekretariat der SP Schweiz.
1996 hat er begonnen, sich in der Gewerkschaftsbewegung zu engagieren und wurde Mitglied der Geschäftsleitung des Schweizerischen Metall- und Uhrenarbeitnehmerverbands (SMUV). Dort setzte er sich gemäss Unia mit Verve für die Fusion von SMUV, GBI und VHTL zur Gewerkschaft Unia ein, welche 2004 vollzogen werden konnte.
Daguet blieb noch bis 2008 Unia-Geschäftsleitungsmitglied und war entscheidend daran beteiligt, dass der Zusammenschluss zur Grossgewerkschaft ohne nennenswerte Probleme über die Bühne ging.
Von 2003 bis 2011 vertrat Daguet die Berner SP im Nationalrat. Seine Partei nahm am Freitag tief betroffen Kenntnis vom Hinschied Daguets. SP-Präsident Christian Levrat würdigte Daguet in einer Mitteilung der SP als einen «glaubwürdigen und ehrlichen Politiker», der immer den Draht zu den Menschen gefunden habe. «Er hat die Schweizer Sozialdemokratie über Jahrzehnte geprägt.»
Nach Herzstillstand kürzer getreten
In der Öffentlichkeit bekannt wurde Daguet vor allem durch sein Engagement als Generalsekretär der SP Schweiz von 1986 bis 1996 – an der Seite von Parteipräsident Peter Bodenmann. Dieser würdigte ihn am Freitag auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda mit folgenden Worten: «André Daguet arbeitete für Amnesty International. Ging dann zur SP, wo wir mit vielen in den neunziger Jahren die Schweiz von links her etwas aufmischten. Und weiter zu den Gewerkschaften.»
Und weiter: «Sein Leben war sein Programm: Gegen politische Unterdrückung. Für eine soziale und ökologische Schweiz in der EU. Mehr Rechte für die Frauen und die Lohnabhängigen. National und international. André liebte das Leben, die Widersprüche und die Menschen. Und musste – an ALS erkrankt – zu früh gehen», schreibt Bodenmann in einer kurzen Würdigung.
Daguet hatte schon vor fünf Jahren einen Herzstillstand erlitten, wurde aber erfolgreich wiederbelebt. Obwohl er sich gesundheitlich wieder gut fühlte, war es ihm immer mehr bewusst geworden, dass man die Chance nicht verpassen sollte, sich dann zu verabschieden, «solange man dies mit aufrechtem Gang und gesund tun kann». Mit diesen Worten gab er im Februar 2011 seinen vorzeitigen Rücktritt aus dem Nationalrat per 30. Mai des selben Jahres bekannt.
An Muskelkrankheit gestorben
Daguet hatte sich trotz seiner Krankheit noch bis zuletzt mit Mails an andere Politikerinnen und Politiker am politischen Tagesgeschehen beteiligt. Er litt an der Amyotrophen Lateralsklerose (ALS), einer chronischen und fortschreitenden Erkrankung des zentralen Nervensystems. Einer der prominentesten ALS-Kranken ist der Astrophysiker Stephan Hawking.