Ein Abend unterwegs mit der mobilen Jugendarbeit

Was tut eigentlich die mobile Jungendarbeit in Basel? Und um was geht es dabei? Unsere Autorin hat sich einen Abend lang mit den Sozialarbeitern auf den Weg gemacht. Und herausgefunden: Mobile Jugendarbeit, das ist viel reden, einiges planen und vor allem viel unterwegs sein. «Eine Lücke im Angebot der Jugendhilfe besteht in der mobilen Jugendarbeit, […]

Gehört auch zum Job: der schwungvolle Handel mit Panini-Bildchen.

Was tut eigentlich die mobile Jungendarbeit in Basel? Und um was geht es dabei? Unsere Autorin hat sich einen Abend lang mit den Sozialarbeitern auf den Weg gemacht. Und herausgefunden: Mobile Jugendarbeit, das ist viel reden, einiges planen und vor allem viel unterwegs sein.

«Eine Lücke im Angebot der Jugendhilfe besteht in der mobilen Jugendarbeit, welche die Jugendlichen in ihrer Lebenswelt aufsucht», ist auf der Website der Mobilen Jugendarbeit Basel (MJA) zu lesen. Und was heisst das jetzt genau? Die Mitarbeiter der mobilen Jugendarbeit sind fast täglich in den Quartieren unterwegs, erfahre ich von der MJA, Donnerstag und Freitag ist Gundeli-Tag. Ob ich mal mitkommen könne, frage ich.

Ein paar Tage später treffe ich mich am Meret-Oppenheim-Platz vor dem Bahnhof SBB mit Ramona Bär und Thomas Berweger. Es ist Freitagabend, beide sitzen entspannt in der Sonne und beissen genüsslich in einen Pouletschenkel, während ich sie mit einer ganzen Reihe Fragen bombardiere. Was macht man eigentlich so in der mobilen Jugendarbeit? Im Moment sieht es nach einem sehr lockeren Job aus.

Wirklich randständige Jugendliche gibt es in Basel kaum

«Das meiste ist Beziehungsarbeit», gibt Thomas Berweger gutgelaunt Auskunft. Womit nichts anderes gemeint ist, als «sich kennenlernen». Die Jugendlichen, um die sich Thomas und Ramona kümmern, sind grösstenteils zwischen 12 und 17 Jahre alt. Etwa Dreiviertel der Klientel sind männlich, die meisten haben Migrationshintergrund. «Vielleicht, weil die sich am meisten draussen aufhalten», spekuliert Ramona Bär. «Wirklich randständige Jugendliche gibt es hier selten», sagt Thomas: «Im Vergleich zu manchem deutschen Kollegen haben wir hier einen Schoggi-Job.» Deshalb mögen Bär und Berweger die Bezeichnung «Streetworker» auch nicht so.

Ein weiterer Teil ihrer Arbeit ist Lobbying, damit die Belange von Jugendlichen auch berücksichtig werden, bei der Gestaltung von Parks beispielsweise. Wie sie beide den Meret-Oppenheim-Platz finden, frage ich. Thomas und Ramona schauen sich an, grinsen. «Total unsexy!» Obwohl, die Lüftung hinten sei gut, da könne man sich im Winter aufwärmen, sagt Ramona Bär.

Inzwischen ist es fast 19 Uhr. Wir starten zu dritt zur freitäglichen Runde, im Sprachgebrauch der Pädagogen «Aufsuchtour». Was man auch lesen könnte als «Auf, such – Tour». Vom Bahnhof SBB aus geht es die Gempenstrasse hoch, dann am Gelände der Gundeldingerschule vorbei zur Sempacherstrasse. Ramona Bär schaut mal hier, mal da, niemand zu sehen.

«Hey, du! Ich hab ne Frage»

Pötzlich kommt von links ein Ruf «Hey, du! Ich hab ’ne Frage.» Eine Gruppe Kinder drängt heran und fragt nach dem Strassenfussballturnier «bunt kickt gut», das am folgenden Wochenende im St. Johannspark stattfinden wird. Ob noch eine weitere Person teilnehmen könne? Ramona Bär überlegt. «Ja, einer geht noch», sagt Bär und verteilt Flyer.

Projekte organisiere die MJA auch, erklärt Thomas in der Zwischenzeit. Im Moment finden Strassenfussballturniere statt, an denen Jugendliche aus allen Quartieren teilnehmen. Zu Anfang haben die Mitarbeiter der mobilen Jungendarbeit sich noch überall vorgestellt, inzwischen sind sie gut bekannt in den Quartieren. Neue Kontakte gibt es laut Thomas nicht mehr so oft. «Uns kennen inzwischen auch schon die älteren Geschwister.»

Der Arbeitstag beginnt mittags mit Büroarbeit

Weiter geht es zum Winkelriedplatz, wo auf Vermittlung der mobilen Jungendarbeit hin demnächst zwei kleine Fussballtore aufgestellt werden. Eine Gruppe Jugendlicher ist ins Spiel vertieft und zeigt kein Interesse. Wir gehen weiter.

Jugendarbeit ist manchmal wie Detektivarbeit.

Entlang der Solothurnerstrasse ist niemand. «Kommt vor», sagt Bär. Ihr Arbeitstag beginnt normalerweise mittags mit Büroarbeit: Telefonieren, Projekte vorbereiten und die Kommunikation mit den Jugendlichen aufgrecht erhalten, von der ein grosser Teil über Facebook läuft. Danach geht es nach draussen. Bei jedem Wetter.

Übers Jahr legt sie schon einige Kilometer in den Quartieren zurück. «Natürlich ist im Winter nicht so viel los draussen wie im Sommer», sagt sie, «aber wir treffen immer Jugendliche an.» Manchmal sei das auch ein bisschen Detektivarbeit. «Wenn wir irgendwo Nüsschen auf dem Boden finden, war unser Klientel schon da», sagt sie und lacht.

Das Quartier durch die Augen von Jugendlichen sehen

Auch am Hochstrassenspielplatz und am nahegelegenen Coop-Gelände ist keiner. Ich fange an, mein Quartier mit neuen Augen zu sehen. Orte, an denen man sich in kleinen Gruppen aufhalten kann, fallen mir auf einmal auf: offene Plätze, Bänke, Stufen – wie die vor der Heiliggeistkirche, an der wir gerade vorbeilaufen. So müssen Jungendliche das Quartier sehen, denke ich.

Gut belebt ist die Liesbergermatte. Ein paar ältere Männer spielen Boule, daneben kickt eine Gruppe Jungs, 12, 14 Jahre alt. Auch hier geht es um das Fussballturnier im St. Johann. Ramona Bär packt die Panini-Liste aus. Bilderstapel werden aus Hosentaschen gekramt, fünf Köpfe beugen sich über die Liste. «Mir fehlen noch 20», sagt Ramona, «nicht viel.» Ihr Gesprächspartner runzelt die Stirn. «Du musst einfach ein bisschen Geduld haben», erklärt sie ihre Strategie, «vielleicht bist du dann nicht ganz so cool, aber am Ende klappt es meistens.»

Wir verabschieden uns und gehen weiter durch den Gundeldinger Park. «Privatgelände», kommentiert Thomas Berweger, «da werden wir normalerweise nicht aktiv.» An der Brunnmattschule prüft Bär, ob die Tore zur Freizeitanlage geöffnet sind. «Ich ärgere mich furchtbar darüber, wenn Gelände von Schulen eingezäunt und abgeschlossen sind», sagt sie. Kürzlich sei die MJA Basel zu Gast gewesen bei der mobilen Jugendarbeit in Winterthur, da sei das anders.

Stressig ist der Übergang von der Schule zum Beruf

Natürlich geht es bei der mobilen Jungendarbeit nicht nur um Sport und Spass. «Die Fragen kommen schon, wenn man sich mal kennt», sagt Berweger. Das sei wieder das mit der Beziehungsarbeit. Häufige Themen wären Littering, Alkohol und Drogen. Auch Sexting wäre kürzlich mal aktuell gewesen, sagt Ramona Bär. Für den Fall haben die Mitarbeiter der mobilen Jugendarbeit auch immer Material dabei: Adressen, Flyer und Infomaterial. Kärtchen zum Beispiel auf denen die Wirkungsweise verschiedener Drogen beschrieben ist und was man besser nicht zusammen einwerfen sollte.

Im Gundeldinger Feld rapple es gerade ein bisschen, dort arbeitet Bär etwas intensiver und auch ausserhalb der Aufsuchtouren. Generell stressig sei für Jugendliche der Übergang von der Schule in den Beruf. Da brauche es oft Hilfestellung, sagt die Sozialarbeiterin, die sich schon mal einen Nachmittag in die Stadtbibliothek setzt und mit einem Jugendlichen den Lebenslauf durchgeht.

Manchmal ist auch ein Mülleimer ein Erfolg

Inzwischen sind wir auf dem Weg zum Margarethenpark. «Hier sind normalerweise eher die älteren Jugendlichen», informiert mich Thomas. Vor einem Jahr sass Monika Wirth von der Christoph Merian Stiftung im Rahmen eines Projekts der MJA dort auf einem rosa Sofa und unterhielt sich mit den Jugendlichen. «Das war super», sagt Bär, «ein Riesenerfolg.»

Auch im Margarethenpark haben wir Pech: keiner da. Bär und Berweger weisen mich auf einen – zugegeben nicht sehr fotogenen – Mülleimer hin, der dort auf Initiative von Jugendlichen hin aufgestellt wurde. Der nächste war zu weit weg. Auch ein Erfolg, findet sie.

Feierabend um 22 Uhr

Mittlerweile ist es kurz vor 21 Uhr. Während sich Berweger auf den Weg zur Pruntrutermatte macht, gehen Bär und ich zurück zum Bahnhof. Dort treffen wir doch noch ein paar ältere Jugendliche, mit gut gefüllten Einkaufstüten auf dem Weg «zum Chillen im Park» an. Sie grüssen kurz, bedanken sich für den neuen Mülleimer und ziehen weiter. Leider kein geeigneter Zeitpunkt, um Fragen zu stellen.

«Schade», meint Ramona Bär. Sie ist trotzdem froh, dass sie heute mal etwas früher Feierabend machen kann. Im Büro warten noch einige Projekte auf die Vorbereitung. Neben dem «bunt kickt gut»-Strassenfussballturnieren bereitet sie gerade die Aktion «Frei(t)räume» vor, die am 19. Juni auf dem Claraplatz stattfinden wird. «Da kann man dann jede Menge Fragen stellen», sagt sie grinsend. Mir wird langsam klar, dass mobile Jungendarbeit wirklich Arbeit ist. Mit viel reden, viel planen und vor allem: viel draussen unterwegs sein.

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