Die Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation WTO auf der indonesischen Insel Bali könnte die letzte Chance sein, die Doha-Verhandlungsrunde über den Abbau internationaler Handelsschranken wiederzubeleben. Eine Einigung ist möglich, glaubt WTO-Chef Roberto Azevêdo.
«Die Mitglieder wollen eine Einigung», sagte er bei der Eröffnung der 9. Ministerkonferenz am Dienstag. Man sei fast auf der Ziellinie. Gleichzeitig schob er die Möglichkeit zur Seite, das Abkommen später zu realisieren. «Wir müssen die Arbeit hier beenden. Jetzt oder nie. Nun liegt es in Ihren Händen», sagte der WTO-Chef eindringlich.
Die Minister haben nichts weniger als die Rettung des auf der Kippe stehenden Abkommens für die Liberalisierung der Handelsbeziehungen auf dem Programm. Bis Freitag soll das Abkommen abgesegnet werden.
Das umstrittene Bali-Paket sieht Vereinfachungen bei der Zollabwicklung im internationalen Warenverkehr, den Abbau von Agrarsubventionen sowie eine bessere Einbeziehung der ärmsten Länder in den Welthandel vor.
Azevêdo strich bei seiner Eröffnungsrede erneut die Wichtigkeit eines Abkommens für die Weltwirtschaft hervor. So würde das globale Bruttoinlandprodukt (BIP) gemäss seinen Worten um zusätzlich bis zu 1000 Milliarden Dollar gestärkt. Zudem würden 21 Millionen neue Jobs entstehen, vor allem in Entwicklungsländern.
«Die Fähigkeit der WTO, das globale Wachstum und die Entwicklung zu unterstützen, wie auch der Multilateralismus stehen auf dem Spiel», sagte Azevêdo.
Indien will Nahrungsreserven für Arme
Teile der Vereinbarung werden von Indien und einigen anderen der 159 Mitgliedstaaten der Welthandelsorganisation abgelehnt. Insbesondere den Punkt, wonach staatliche Subventionen in vielen Entwicklungsländern zur Schaffung von Nahrungsreserven für Arme nur für eine Übergangszeit von vier Jahren erlaubt sein sollen, unterstützt Indien nicht.
Indiens regierende Kongresspartei hat für das Wahljahr 2014 ein Programm zur Bereitstellung preiswerter Lebensmittel für Millionen von Armen versprochen, das gegen WTO-Regeln verstossen könnte.
Die völlige Marktliberalisierung bei Nahrungsmitteln ruft indes auch andere Kritiker auf den Plan. Nichtregierungsorganisationen werfen der WTO die Missachtung der Grundbedürfnisse armer Menschen vor. Staatliche Nahrungsreserven für Notzeiten als verbotene Subventionen zu werten, sei falsch.
Schweiz steht hinter WTO
Die Schweiz unterstützt die WTO-Vereinbarung. «Die Schweiz steht voll und ganz hinter den Bemühungen von Roberto Azevêdo», sagte Bundesrat Johann Schneider-Ammann am Dienstag vor einer Gruppe von Schweizer Journalisten. «Wir wollen helfen, diese letzte Chance zu nutzen.»
Trotz der immer noch offenen Fragen zeigte sich der Chef des Eidgenössischen Departements für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) zuversichtlich, dass ein Durchbruch bis Donnerstagabend möglich ist. Doch auch er warnte: «Es steht viel auf dem Spiel. Wir sollten die Folgen eines Scheiterns auf Bali nicht unterschätzen», sagte der Wirtschaftsminister.