Ein Genie stiehlt sich selbst die Schau

Einer, der fast alles kann, aber nur eines brillant: Xavier Dolan ist «Tom à la ferme». Und steht sich selber im Weg. Xavier Dolan macht fast alles selbst. Er führt Regie, er produziert, er schneidet, er spielt. Er macht sogar die Kostüme. Das geht meist gut. Er erzählt die Geschichte von «Tom à la ferme» […]

Regisseur und Hauptdarsteller Xavier Dolan wünscht sich Bilder wie von Francis Bacon: bis zur Wirklichkeit entstellt.

Einer, der fast alles kann, aber nur eines brillant: Xavier Dolan ist «Tom à la ferme». Und steht sich selber im Weg.

Xavier Dolan macht fast alles selbst. Er führt Regie, er produziert, er schneidet, er spielt. Er macht sogar die Kostüme. Das geht meist gut. Er erzählt die Geschichte von «Tom à la ferme» als gediegenen Thriller (teilweise grandios von André Turpin fotografiert). Das geht aber auch schief: Als Schauspieler kann Dolan sich nicht auf einen Regisseur verlassen, der ihm sagt, dass seine Figur vor der Kamera etwas zu selbstbeschäftigt wirkt. Kein Wunder: Der Regisseur ist – er selbst.

Tom lernt am Begräbnis seines Freundes die rauhe Wirklichkeit auf dem Land kennen. Niemand weiss von seiner Beziehung zum Verstorbenen. Dessen Bruder tut alles, um die Liaison zu verheimlichen und Tom in die Lügen-Fassade einzubauen: Er soll den Knecht auf dem Hof spielen. Bald eskaliert die Situation. Tom trifft andere Mitwisser.

Xavier Dolan hat sich beim Drehbuch für ein Theaterstück von Michel Marc Bouchard entschieden. Dass er daraus einen Film machen wollte, ist verständlich: Die Dialoge leben von Andeutungen und schaffen für Schauspieler mit psychologischem Tiefgang Spannung. Hätte Dolan als Regisseur Raum hierfür geboten, wir hätten einen spannenden Thriller vor uns. So aber wird sehr lange nur Geschirr bereitgestellt. Gegessen wird kaum.

Weder ein Innenblick, noch ein Aussenblick  

Auch den anderen Schauspielern fehlt der Aussenblick: So bleiben sie äusserlich, in einer Geschichte, die sich von Andeutung zu Andeutung hangelt. Immer gleich grimmig bleiben die Figuren und lassen vermissen, was die Story spannend machen könnte: die Entwicklung der Figuren an einem Ort, wo die Zeit stehen geblieben ist.

Der Film ist immer dann spannend, wenn mit den Mitteln des Suspense erzählt wird. Die Spannung entsteht aber nie durch das Spiel mit einer Oberfläche, welches den Tiefgang erst erzeugen würde. Ohne Entwicklung bietet zum Beispiel die Figur der Mutter nur Biederkeit und keinen Tiefsinn. So erlebt Tom wohl die kleinen Lügen der Rückständigkeit am eigenen Leib, ehe er daraus seine Schlüsse zieht. Wir aber bleiben aussen vor.

Der Film läuft ab morgen in den Kult-Kinos.

 

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