In Baku werden heute die ersten Europa-Spiele eröffnet, eine Veranstaltung, die sehr umstritten ist. Bis am 28. Juni kämpfen in der Hauptstadt Aserbaidschans 6000 Sportler, darunter 131 Schweizerinnen, um 253 Medaillensätze.
Das neu errichtete Olympia-Stadion von Baku.
(Bild: Keystone/VASSIL DONEV)Das Heydar Alijew Kulturcenter in Baku
(Bild: Reuters/STOYAN NENOV)Nicht ohne Fackellauf: Zwei populäre Aserbaidschaner, der Sänger Faig Agayev (links) und der Judokar Elnur Memmedli in der Altstadt von Baku.
(Bild: Keystone/SERGEY DOLZHEKO)Schauplatz diverser Sportarten bei den ersten Europa-Spielen: Die an der Seeseite gelegene Crystal Hall von Baku.
(Bild: Reuters/STOYAN NENOV)Das Athletendorf: 6000 Teilnehmer kommen zu den Europa-Spielen nach Baku.
(Bild: Keystone/BERND THISSEN)Prestigeobjekt für Aserbaidschan: Sportminister Azad Rahimov (rechts) posiert mit Patrick Hickey (links), dem Präsidenten der Europäischen Olympischen Komitees.
(Bild: Keystone/VASSIL DONEV)Strassenbahn mit Spiele-Logo in Baku.
(Bild: Reuters/STOYAN NENOV)Mit vollem Rohr auf die Franzosen: Nachstellung einer historischen Schlacht.
(Bild: SGT RUPERT FRERE RLC / BRITISH MINISTRY OF DEFENCE / HANDOUT)Diese neu geschaffenen Spiele schliessen für das Europäische Olympische Komitee (EOK) eine Lücke im Vergleich zu den anderen Kontinenten. Diese kennen mit den Panamerikanischen und Asien-Spielen (seit 1951), Pazifik-, Afrika- und seit 1978 den Südamerika-Spielen schon länger vergleichbare Wettkämpfe. Sie finden alle wie die Olympischen Spiele auch im Vierjahres-Rhythmus statt. Die Vergabe der ersten Europa-Spiele an Baku – den einzigen Bewerber – erfolgte im Dezember 2012 an einem EOK-Kongress in Rom mit 38:8 Stimmen.
Swiss Olympic votierte dagegen. Seine Skepsis legte Präsident Jörg Schild im Frühjahr in einem Interview mit der TagesWoche noch einmal dar. Die European Games im autokratisch geführten Aserbaidschan gelten als Prestigeobjekt der Herrscherfamilie Alijew, Milliarden sollen aufgewendet worden sein und der sportliche Stellenwert inmitten eines vollgepackten Veranstaltungskalender ist zweitrangig.
Schöne Fassade eines autokratische geführten Staates: Blick auf Baku, die Hauptstadt Aserbaidschans und Schauplatz der ersten Europa-Spiele. (Bild: Keystone/SERGEY DOLZHEKO)
Internationale Organisationen kritisieren die Menschenrechtssituation in Aserbaidschan, Regime-Kritiker wurden inhaftiert und Vertretern von Amnesty International die Einreise verwehrt.
Und schon die zweite Auflage steht auf tönernen Füssen. Im Mai wurden den Niederlanden die Europa-Spiele 2019 zugesprochen, am Mittwoch machte die Regierung jedoch einen Rückzieher mit der Begründung, die Kosten von rund 60 Millionen Euro seien zuviel.
Bunt gemischtes Schweizer Team
Für Baku sind 50 Nationen mit insgesamt fast 6000 Athleten gemeldet. Gemäss den Organisatoren haben 150 von ihnen schon olympische Medaillen gewonnen, 59 sind Olympiasieger und rund 200 Athleten seien demnach in ihrer Sportart schon Weltmeister geworden. Von den 20 im Programm stehenden Sportarten sind vier – Karate, Beachsoccer, 3×3 Basketball und Sambo (russische Militär-Kampfsportart) – nicht-olympisch. Die grössten Delegationen kommen neben dem Gastgeber aus Frankreich, Deutschland, Italien, Grossbritannien und Russland mit jeweils über 200 Sportlern.
Die Schweizer Delegation für die ersten Europa-Spiele präsentiert sich sehr heterogen. Von der 15-jährigen Nachwuchsschwimmerin und Grossanlass-Debütantin bis hin zur Triathlon-Olympiasiegerin Nicola Spirig wird in Baku (Aser) alles vertreten sein.
Ralph Stöckli, der Schweizer Chef de Mission an den Europa-Spielen in Baku und auch nächsten Sommer an den Sommerspielen in Rio de Janeiro. (Bild: SI)
Diese Durchmischung mache es schwierig, sagt Ralph Stöckli, der Chef de Mission von Swiss Olympic. «Baku ist für uns die grössere Herausforderung als Rio 2016.» Weniger klar ist deshalb auch die Anzahl Medaillen, welche die insgesamt 131 Schweizer Sportler in Aserbaidschan gewinnen sollen. Eine Zahl lässt sich Stöckli nicht entlocken. Der Ostschweizer sagte im Vorfeld der Europa-Spiele-Premiere nur, dass «wir in etwa um das Potenzial wissen. Wenn es unseren Cracks wie Giulia Steingruber, Nicola Spirig, Jolanda Neff und Nino Schurter gut läuft, dann sind einige Medaillen möglich.»
In einigen Disziplinen lockt Olympia-Qualifikation
Von den vier Genannten steht für Nicola Spirig am meisten auf dem Spiel. Sie kann sich mit einem Sieg in Baku bereits die Direktqualifikation für die Sommerspiele in Rio de Janeiro holen. «Verlockend» sei dies, so die Triathlon-Olympiasiegerin aus dem Zürcher Unterland. Ebenfalls bereits morgen (Samstag) stehen die Mountainbiker Jolanda Neff und Nino Schurter im Einsatz. Für die Cross-Country-Spezialisten locken neben den Medaillen auch einige Ranglistenpunkte auf dem Weg nach Brasilien.
Einzig um Edelmetall geht es im Kunstturnen. Nicht falsch liegen dürfte, wer prognostiziert, dass Giulia Steingruber während den 17-tägigen Europa-Spielen von der Schweizer Delegation am meisten Medaillen sammelt. Die erste Mehrkampf-Europameisterin aus der Schweiz hatte Mitte April in Montpellier überzeugt und gehört auch in Baku zu den Topfavoritinnen. Der St. Gallerin kommt zudem die Ehre zu, bei der heutigen Eröffnungsfeier die Schweizer Fahne zu tragen.
Sportlicher Wert schwankt
Der sportliche Wert der Europa-Spiele variiert extrem innerhalb der 20 Sportarten (davon 16 olympische), die bei der Premiere in Baku ausgetragen werden. So finden im Judo und Ringen – dem aserbaidschanischen Nationalsport – die Europameisterschaften statt. Dadurch ist die kontinentale Spitze praktisch lückenlos vertreten. Neben Triathlon gibt es auch im Schiessen und Tischtennis Quotenplätze für Rio 2016 zu gewinnen, womit ein interessantes Teilnehmerfeld garantiert ist.
Medaillenhoffnung: Die Kunstturnerin Giulia Steingruber. (Bild: Keystone/GUILLAUME HORCAJUELO)
In anderen Sportarten wie Mountainbike, Beachvolleyball und Taekwondo (mit der Weltranglisten-Zweiten Nina Kläy) stehen immerhin Ranglisten- oder Qualifikationspunkte für Rio auf dem Spiel. Für die Teilnehmer im Beachsoccer und 3×3-Basketball – beides nicht-olympisch – kommt der Multi-Sportanlass in Baku fast dem Gefühl von Olympischen Spielen nahe. «Gerade diese Spieler sind extrem motiviert und wollen sich von ihrer besten Seite zeigen», sagt auch Ralph Stöckli. Gerade das Beachsoccer-Nationalteam um Starspieler Dejan Stankovic gehört in Baku zu den Favoriten auf den Turniersieg.
Eine olympische Hauptsportart wie Schwimmen trägt am Kaspischen Meer hingegen nur die Junioren-Europameisterschaften aus. Die Schweiz stellt im 50-m-Becken zehn Nachwuchsschwimmer. In der Leichtathletik, wo nur gerade ein drittklassiger Team-EM-Wettkampf stattfindet, ist die Schweiz, die in 16 der 20 Sportarten Teilnehmer stellt, nicht vertreten.
In der 131 Athleten umfassenden Delegation von Swiss Athletic für die Europa-Spiele stehen fünf Einzelsportler sowie das Beachsoccer-Team um Angelo Schirinzi. Im Bogenschiessen tritt der Riehener Adrian Faber an, im Boxen die Baslerin Sandra Brügger, der Fechter Florian Staub kommt aus Aesch, Trampolinspringerin Sylvie Wirth aus Arisdorf und der Schwimmer Manuel Leuthard aus Frenkendorf.
» Die «Basellandschaftliche Zeitung» zur Boxerin Sandra Brugger
» Die Europa-Spiele auf der Webseite von Swiss Olympic