Er bietet überraschende, unterhaltsame, hintersinnige und auch weniger verständliche Kunst an zum Teil wundervollen Orten. Der Besuch des Art Parcours der Messe lohnt sich. Nicht nur, aber auch, weil man nichts dafür bezahlen muss.
Auf dem Klingentalplatz steht ein Schild, das auf ein Kunstwerk hinweist. Auch eine Aufpasserin ist da. Doch zu sehen ist nichts ausser ein paar Tische und Stühle der umliegenden Restaurants und Bars. Und eine Protagonistin des Rotlichtviertels, das laut dem kleinen Katalog zum Art Parcours (pdf-Dokument) fliessend auf den Platz, auf dem man sich gerade befindet, übergeht. Und dann ertönt plötzlich eine Stimme vom Baum herunter, die wie auf einem Flughafen einen Flug ansagt.
Es handelt sich um die Stimme der bekannten Performancekünstlerin Marina Abramović, die Klanginstallation geht auf eine Aktion aus dem Jahr 1972 zurück. Im letzten Jahr war die Grande Dame der Performancekunst Thema und Protagonistin eines opernhaft-üppigen Theaterprojekts, dieses Jahr ist nur ihre Stimme zu hören. An diesem Ort auf dem Art Parcours wirkt die Klanginstallation etwas unglücklich platziert. Die Ansage von Flügen zu weit entfernten Orten hatte im damals kommunistischen Belgrad eine weitaus brisantere Bedeutung.
Art Parcors rund um die Kaserne Basel
Nach dem St. Johann (nun, dort war der Parcours nicht wirklich, sondern gleich nebenan, zwischen Totentanz und Johanniterbrücke) im letzten Jahr, wird dieses Jahr nun das Gebiet rund um die Kaserne Basel bespielt. In der Medienmitteilung zum Parcours ist vom «Baseler Stadtteil Klingental» die Rede, «einem der kulturell vielfältigsten und kreativsten Viertel der Stadt». (Liebe Baseler Art, es heisst Basler, und einen Stadtteil Klingental gibt es nicht!) 17 Stationen beinhaltet der Parcours, einige an wundervollen Orten, die man normalerweise nicht zu Gesicht bekommt.
Einer dieser Orte ist der Dachstock der Ateliergenossenschaft Kaserne Basel in der ehemaligen Kirche des Klosters Klingental. In diesem weitläufigen und dunklen Dachstock sind auf zwei grossen Leinwänden gespenstische Schwarzweiss-Wolkenbilder zu sehen. Der Titel der schönen und eindrücklichen Videoarbeit von Lisa Oppenheim, «Smoke», deutet aber darauf hin, dass es sich um etwas anderes handelt: eben um Rauch. Rauch in einem Dachstock, der durch eine wunderbare Holzbalkenkonstruktion beeindruckt? Das löst unheimliche Gefühle aus, wie auch der Gang über den Holzboden, der das Gewicht der Besucher wohl sicher aushält; aber man weiss ja nie …
Im Klingental-Kloster
In einem anderen, nicht minder eindrücklichen Dachstock ist die Installation «Gustav’s Wing» von Danh Vo untergebracht. Es handelt sich um das offene Dachgeschoss des ehemaligen Färberhauses des Klingental-Klosters. An den Balken aufgehängt sind die versprengten Einzelteile einer Bronzeskulptur, die der Künstler von seinem Neffen angefertigt hat, wie es im Katalog heisst. Diese an sich bemerkenswerte Arbeit hat es allerdigs nicht so leicht, sich gegen das wundervolle Dachgestühl zu behaupten.
Nachdem man noch weitere Arbeiten in anderen historischen Kolsterräumen besucht hat, geht’s zurück zum Kasernenareal. Vielleicht mit einem kleinen Abstecher zur Kaffeerösterei Moccaraba in der Unteren Rebgasse. Das dortige Schaufenster ist prall gefüllt mit alten Videoplayern und deren Fernbedienungen. «Video Palace #33: The Living Dead 1264» heisst es darüber. Joep van Liefland hat verstaubte Relikte aus einer vergangenen Zeit zusammengetragen, denen man, in Abwandlung eines bekannten Popsongs, «Internet Killed the Video Star» zusingen könnte.
Hammer und Phasminiden
Art Parcours (bis 16. Juni)
Heute Mittwochabend ist Parcours Night (bis 24.00 Uhr)
Sonst sind die Ausstellungsräume von 11.00 bis 22.00 Uhr geöffnet (am Sonntag von 11.00 bis 19.00 Uhr)
Eintritt frei
Auf dem Kasernenareal selber sind drei Arbeiten zu sehen. Eine von ihnen heisst «Hammer (Blue)» und zeigt entsprechend auch einen. Es handelt sich um eine vom Papier befreite grosse transparente Zeichnung eines blauen Hammers, der aufrecht auf einem Sockel steht. Aus der richtigen Perspektive betrachtet, wird die zweidimensionale Arbeit von Michael Graig-Martin zum dreidimensionalen Objekt. Ein schöner Effekt und ein schönes Kunstwerk, das man gerne in seinem eigenen Garten aufstellen würde, wenn man denn einen hätte (und man sich das Werk leisten könnte).
Zum Schluss sei hier noch ein Abstecher in den Rossstall der Kaserne beschrieben. Dort sind die «Phasminides» von Daniel Steegmann Mangrané zu sehen. Phasminiden sind Gespensterschrecken, die sich mit ihren ästchenartigen Körpern im Geäst perfekt tarnen können. Der Künstler hat sie, zum Teil in natürlicher, zum Teil in künstlicher Umgebung, in einem Film und in drei roten kleinformatigen Hologrammbildern festgehalten. Eine durchaus anregende Arbeit.
Nicht die Qualität vom vergangenen Jahr
Der Art Parcours 2013 bietet alles in allem ein angenehmes Kunsterlebnis abseits des Kunstmarkt-Trubels auf dem Messeplatz. Allein schon die Möglichkeit, in wundervolle Räume vordringen zu können, die normalerweise nicht öffentlich zugänglich sind, lohnt den Besuch (man kann sogar einige Blicke in die Ateliers der Ateliergenossenschaft Kaserne Basel werfen, wo die Künstler ansonsten in allzu stiller Abgelegenheit ihrem Wirken nachgehen). Allerdings hat die von Florence Derieux kuratierte Schau nicht ganz die Qualität, nicht die wirklich überraschenden Momente, die den letztjährigen Parcours ausgezeichnet haben.