Deutschland bestreitet den Confederations Cup in experimenteller Zusammensetzung. Viele Leistungsträger fehlen, die Talente bekommen eine Chance, erstmals heute ab 17.00 Uhr gegen Australien.
Jetzt freut sich auch Deutschland Bundestrainer Joachim Löw richtig auf den Confederations Cup. «Er ist wie ein Geschenk», sagte Löw knapp 23 Stunden vor dem Anpfiff des Auftaktspiels gegen Australien heute um 17.00 Uhr zu dem umstrittenen Turnier. Ein Geschenk ist das Turnier nicht zuletzt für viele seiner Spieler: Weil Deutschland auf viele seiner Leistungsträger verzichtet, kommen 13 Turnier-Neulinge in Russland zum Zug.
Löw verbreitete Zuversicht für sein Experiment mit vielen unerfahrenen Spielern. «Ich habe ein unheimlich gutes Gefühl, mit dieser ‚Perspektiv-Mannschaft‘ in das Turnier zu gehen», sagte der 57-Jährige. «Die Mannschaft brennt auf den Start.» Er traue seiner hungrigen Gruppe um Captain Julian Draxler viel zu, auch wenn gerade zu Beginn vielleicht noch nicht alles rund laufen werde. «Ein Sieg wäre gut, den peilen wir an», sagte Goalie Bernd Leno, der gegen Australien zu seinem 5. Länderspiel-Einsatz kommen wird.
Für Löw ist das sechste Turnier als verantwortlicher Bundestrainer ein spezielles. Der Titelgewinn ist nicht das Ziel, dem wie sonst bei Welt- und Europameisterschaft alles unterordnet ist. «Ich kann unter Wettkampfbedingungen experimentieren», sagte er. Und der Confederations Cup helfe vielleicht, die Ziele in den kommenden Jahren zu erreichen. Löw weiss aber auch, dass Deutschland als Weltmeister mit dem Anpfiff gegen Australien seinem Status möglichst gerecht werden muss.
Seine radikale Personalauswahl für das Turnier hat auch in der Heimat die Fans gespalten. In einer repräsentativen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Yougov heissen 42 Prozent der an Fussball interessierten Deutschen Löws Confederations-Cup-Kurs nicht gut. Nur 19 Prozent unterstützen diesen voll und ganz. Geringe 13 Prozent der 2050 Befragten schätzen die Chancen auf den Titelgewinn als sehr gut ein. 48 Prozent sehen nur geringe bis sehr geringe Siegaussichten.
Ungewissheit herrscht auch bei der Mannschaft selber, obwohl sich in den zwei Wochen des Zusammenseins eine gewisse Euphorie aufgebaut hat und der Teamgeist ausgeprägt ist, wie alle betonen. Die Vorrunde gegen Australien, Chile und Kamerun bewertet aber niemand als Selbstläufer. «Unsere Gruppe wird nicht einfach», erklärte Verteidiger Antonio Rüdiger. Er spüre, dass der Weltmeister ohne seine erste Besetzung nicht als Favorit angesehen wird. «Ich denke, dass uns einige unterschätzen werden, das kann ein Vorteil für uns sein.»
Der bald 30-jährige Stürmer Sandro Wagner, aber auch Talente wie Leon Goretzka, Timo Werner oder Niklas Süle will Löw in Russland als Druckmacher für die pausierenden Top-Nationalspieler entwickeln. «Man spürt, dass die Spieler an ihre Chance glauben», sagte Teammanager Oliver Bierhoff. Leno bestätigte das für den Konkurrenzkampf der drei Torhüter. «Manu (Neuer – Red.) ist die Nummer 1, das ist klar. Dahinter ist der Kampf eröffnet», erklärte Leno.