Eine 48er-WM und andere Schnapsideen

Irgendwie muss die Kohle ja reinkommen, die man an diejenigen verteilen kann, die einen gewählt haben: Fifa-Präsident Gianni Infantino schlägt eine WM mit 48 Teams vor. Gianni Infantino ist ja noch nicht lange Präsident des Weltfussballverbandes. Aber es umweht ihn schon so viel Anrüchiges, dass ihn die Öffentlichkeit als würdigen Nachfolger von Sepp Blatter im […]

Das hat er sich fein ausgedacht: Fifa-Präsident Gianni Infantino, hier beim «World Summit on Ethics and Leadership in Sports» neulich am Hauptsitz des Weltfussballverbandes in Zürich.

Irgendwie muss die Kohle ja reinkommen, die man an diejenigen verteilen kann, die einen gewählt haben: Fifa-Präsident Gianni Infantino schlägt eine WM mit 48 Teams vor.

Gianni Infantino ist ja noch nicht lange Präsident des Weltfussballverbandes. Aber es umweht ihn schon so viel Anrüchiges, dass ihn die Öffentlichkeit als würdigen Nachfolger von Sepp Blatter im Selbstbedienungsladen Fifa wahrnimmt. Oder «noch schlimmer als Blatter», wie die «Frankfurter Allgemeine» ernüchtert festgestellt hat.

Zu Blatters Domäne gehörte neben dem ungenierten Teile- und-Herrsche-Prinzip unter anderem, seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. In der Spätphase seiner Günstlingsherrschaft, auf dem Fifa-Kongress 2014 in Saõ Paulo, hat er tatsächlich schwadroniert: «Wir fragen uns, ob unser Spiel auch auf anderen Planeten gespielt wird. Wir werden nicht mehr nur eine Weltmeisterschaft, sondern interplanetarische Wettbewerbe haben.»

Nun ja. Zu den immer wieder mal beiläufig in die Runde geworfenen (und nie verwirklichten) Blatterschen Ideen gehörten ausserdem: die Beseitigung des passiven Abseits, die Vergrösserung der Tore, die Abschaffung des Elfmeterschiessens.

Sein Nachdenken über Fussball gipfelte bereits 2004 darin, für Frauen ein anderes Tenue als für Männer vorzuschlagen, so wie im Beachvolleyball. Sprich: knappe Höschen und Tops. Den anschliessenden Shitstorm (hiess damals noch nicht so) vermochte der Hinweis eines Fifa-Sprechers auf einen Übersetzungsfehler nur wenig zu besänftigen.

Nach den knappen Höschen nun das XXL-Format

Jetzt kommt Infantino, der bislang eher mit seinen Gehaltsforderungen und grosszügiger Auslegung des Spesenreglements von sich reden machte, mit einer Weltmeisterschafts-Endrunde für 48 Mannschaften um die Ecke. Vorgetragen in Kolumbien vor einem akademischen Publikum an der Universität von Bogotá.

Von diesen 48 Teams würden 16 nach einem ersten K.o.-Match wieder heimreisen. Anschliessend würde eine Gruppenphase wie bisher mit 32 Teams folgen. Erstmals zum Tragen käme das für die WM 2026.



FIFA President Gianni Infantino goes for the ball next to Colombia's former soccer player Carlos Valderrama during a friendly soccer match in Bogota, Colombia, October 3, 2016. REUTERS/Felipe Caicedo FOR EDITORIAL USE ONLY. NO RESALES. NO ARCHIVES.

Fifa-Präsident Gianni Infantino hat in Bogotà, wo gerade die Futsal-WM stattfand, nicht nur übers Format künftiger Weltmeisterschaften geredet, sondern auch selbst gespielt: Etwas hüftsteif neben Kolumbiens Idol Carlos «El Pibe« Valderrama (rechts), der jetzt auch schon 55 ist, sich aber endgültig für eine Frisur entschieden hat. (Bild: Reuters)

Infantinos Problem scheint klar. In seinem Wahlkampf hat er mit der Aufstockung der WM von 32 auf 40 Teams um Stimmen geworben. Und versprochen ist versprochen. Das Feld der WM-Teilnehmer wird auf XXL-Grösse erweitert, unter dem Deckmantel, den Fussball weltweit noch populärer zu machen und noch mehr kleinere Verbände daran teilhaben zu lassen.

Doch während 32 Mannschaften ein homogenes, gut nachvollziehbares und bewährtes Format bedeuten, mit 64 Spielen verteilt auf vier Wochen bis zum Finale, wird es schon mit 40 Teilnehmern schwierig. Einziger vorstellbarer Modus wären da 10 Gruppen à 4 Teams (60 Vorrundenspiele) sowie eine K.o.-Runde mit den Gruppensiegern und den 6 besten Gruppenzweiten (16 weitere Partien inklusive Spiel um Platz 3).

Was Infantino mit der Bemerkung «40 Teams, das rechnet sich nicht» genau meint, wird er sicher noch erklären. 76 Spiele lassen sich den Interessenten an den Fernsehrechten sicherlich prima verkaufen – 80 Spiele noch besser. Auf so viele käme man mit der neuesten Schnapsidee der Fifa: 16 K.o.-Spiele zum Einstieg plus die 64 Spiele im 32er-Format.

Schliessen wir uns für einmal Günter Netzer an: ein Horrorszenario

Da kann man schon nachvollziehen, warum der amtierende Weltmeistertrainer Joachim Löw gerade vor einer Verwässerung des Niveaus gewarnt hat. Noch prägnanter hat es Günter Netzer ausgedrückt, für den eine Ausweitung der WM ein «Horrorszenario» ist. Und der Mann muss es wissen, war er doch als Strippenzieher im Rechtehandel fast noch erfolgreicher denn als Fussballprofi.

Warum man 16 Teams und einen Schwarm Fans für – im schlechteren Fall – lediglich eine Partie einmal um den halben Erdball schicken will, ist nur schwer nachvollziehbar und den Verbänden höchstens mit gefüllten Taschen zu vermitteln, mit denen man sie gleich wieder nach Hause schickt.

Als Nächstes beratschlagen die Herren und wenigen Damen des Fifa-Führungszirkels Mitte Oktober in Zürich; beschlossen werden soll das neue Format für die WM 2026 vom Fifa-Council (bislang bekannt als schlecht beleumundete Fifa-Exekutive) im Januar 2017.

Prognose: Sie werden eine dem Kommerzfussball angemessene Lösung austüfteln.

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