Eine Frage der Schweizer Stabilität

Die Schweizer Nationalmannschaft kann heute im Heimspiel der EM-Qualifikation gegen Slowenien (20.45 Uhr in Basel) ihre unmittelbare Zukunft weiter vergolden.

Die Schweizer Nationalmannschaft kann heute im Heimspiel der EM-Qualifikation gegen Slowenien (20.45 Uhr in Basel) ihre unmittelbare Zukunft weiter vergolden.

Mit einem Erfolg wäre die direkte EM-Qualifikation absehbar und die Position von Vladimir Petkovic stabiler denn je.

Das Gros der Schweizer Equipe hat im Vorfeld des kursweisenden Heimspiels gegen Slowenien primär von der Chance gesprochen, einen unbequemen Herausforderer um sechs Punkte distanzieren zu können. Der Fokus stimmt, die Qualität ebenso. Spielt die Auswahl mit Spielern aus drei der vier weltbesten Ligen ihre Klasse aus, zeichnet sich der sechste Vorstoss an eine EM- oder WM-Endrunde innerhalb von zwölf Jahren ab.

Dem Druck und Anspruch, als Top-20-Nation des FIFA-Rankings auf dem Weg an eine aufgeblähte EM nicht in Bedrängnis zu geraten, halten in der aktuellen Kampagne nicht alle Favoriten stand. Der WM-Dritte Holland steckt vergleichsweise tief im Schlamassel. Wie gefestigt das in der vorletzten Sommerpause an der Spitze neu strukturierte Schweizer Gebilde in Tat und Wahrheit ist, wird sich weisen.

«Gegen die Slowenen wird man sehen, ob wir wirklich Fortschritte gemacht haben», sagt Stephan Lichtsteiner. Das Duell taxiert der Champions-League-Finalist als Charaktertest: «Jetzt werden wir wirklich gefordert. Zuletzt spielten wir gegen Teams, die wir alle besiegen mussten.» Dem Gastspiel der Slowenen folgt am Dienstag das Highlight im Wembley gegen England.

Und der Juventus-Verteidiger und Wortführer hat die mässige Performance in Litauen (2:1 nach spätem Umschwung) nicht vergessen: «Wir haben etwas gutzumachen.» Viel wird dabei abermals von Topskorer Xherdan Shaqiri abhängen – von einem an sich Hochbegabten, der nach einem intensiven, aber ernüchternden Halbjahr abseits der mondänen Zentren in Stoke den Neuanfang probt.

Imagepflege hatte auch Vladimir Petkovic zu betreiben. Zu Beginn stand er nicht nur im mächtigen Schatten seines Vorgängers Ottmar Hitzfeld, sondern bereits wenige Wochen nach dem Aufstieg zum Nationalcoach erstmals unter beträchtlichem Druck. Das 0:1 in Maribor verursachte Irritationen. Die WM-Euphorie flachte erstaunlich schnell ab. Fragezeichen statt Fortschritte. Das mediale «Spiel auf den Mann» goutierte der Schweizer Selektionär nicht.

Elf Monate später gehen die Beteiligten entspannter um mit dem Fehlstart. Sieben Partien in Folge ohne Fehltritt haben das Problem entschärft, der Rückblick auf den ungemütlichen Herbst 2014 fällt einfacher. «Vielleicht überschätzten wir uns eine Spur. Wir hatten generell zu viel vor. Keiner wollte den neuen Coach enttäuschen, jeder wollte überall sein», rollt Granit Xhaka das unvorteilhafte erste Kapitel nochmals auf.

Inzwischen sind die Schwierigkeiten zumindest in der Tabelle behoben. Die Schweizer sind hinter dem makellosen Leader England auf Position 2 vorgerückt und ihrem Selbstverständnis entsprechend wieder auf direktem EM-Kurs. Mit den erhöhten Risiken und ausgedehnten Freiheiten des taktisch anspruchsvollen 4-3-3-Systems gehen sie bewusster um.

Petkovic hat seine Ideen breit verankert. Seine Philosophie der flexiblen Angriffsformationen ist besser erkennbar. Und der Tessiner Stratege demonstrierte schon mehrfach, dass er im Bedarfsfall bereit ist, an der Linie einschneidende Änderungen zu verordnen – in Vilnius musste beispielsweise der Captain Gökhan Inler nach 58 Minuten systembedingt weichen.

Und Petkovic hat es offenbar geschafft, die Strömungen innerhalb der Mannschaft in die gewünschte Richtung zu lenken. Xhaka etwa, der in jüngerer Vergangenheit immer mal wieder den Hinweis deponierte, lieber zentral eingesetzt zu werden, gab Mitte Woche gegenüber der Sportinformation klare Statements zur intakten Hierarchie ab: «In der Nationalmannschaft gibt es Inler, der seit Jahren Erfolg hat, Behrami, Lichtsteiner. Das sind anerkannte Leitfiguren. Ihre Stellung zu akzeptieren, hat auch mit Respekt zu tun.»

Es liegen mehrere Anhaltspunkte vor, die auf eine gesunde Kompetenzverteilung hindeuten. Die Opinion-Leader dulden das meistens gemässigte Vortasten der jüngeren Generationen. Diese weichen Faktoren sprechen für die Arbeit Petkovics. Seine Coaching-Zone endet nicht am Spielfeldrand.

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