«Eine gewisse Naturgeilheit muss schon sein»

Wie redet es sich so mit einem Pornostar? Erkenntnis: Auch nicht anders als mit keinem Pornostar.

«Natürlich mag ich meinen Körper nicht. Sonst würde ich ihn ja nicht operieren»: Aviva Rocks, momentan erfolgreichste Schweizer Pornodarstellerin.

(Bild: http://www.aviva-rocks.com/)

Wie redet es sich so mit einem Pornostar? Erkenntnis: Auch nicht anders als mit keinem Pornostar.

Aviva Rocks geht sofort ans Telefon. «Hörst du mich?» Sie sei eben grad in ihrem Daheim am Zürisee, und da habe sie nicht so guten Empfang. Ich bejahe. «Alles gut».

Aviva Rocks, ihren echten Namen hält sie geheim, ist nach Pornoheidi und Luisa Lamour die aktuell erfolgreichste Schweizer Profi-Pornodarstellerin. Die 26-jährige Zürcherin dreht auch Filme, verdient ihr Geld aber grösstenteils mit Webcam-Shows, wo man sich als Zuschauer einloggen und Wünsche abgeben kann. Das Ganze funktioniere mit einer Art Prepaid-Card, erklärt sie gut gelaunt. Am Freitag werden sie ihre Fans live zu sehen kriegen, an der Erotikmesse Extasia in Basel. Ihre Stimme ist sehr mädchenhaft, Aviva Rocks lacht fast nach jeder Frage. Da erstaunt auch ihre erste Antwort nicht. 

Liebe Aviva, welches ist Ihr Lieblings-Emoji?

(Lacht) Mein Lieblings-Emoji?

Ihr Lieblings-Emoji.

Also am liebsten mag ich den lachenden Smiley mit den Tränen in den Augen. Der passt am besten zu mir. Wenn ich lache, laufen mir oft die Tränen runter.

Sie sind professionelle Pornodarstellerin. Nicht gerade ein 08/15-Job. Was ist das dümmste Vorurteil, das Sie sich je anhören mussten?

Naja, oftmals können die Menschen nicht unterscheiden zwischen mir und einer, die anschafft. Das ist ziemlich mühsam. Männer fragen mich oft, wo man mich treffen kann, wie man an mich rankommt. Da muss ich dann jeweils sagen: Mich gibts nur zum Anschauen, nicht zum Anfassen.

Macht Sie das wütend?

Nein. Es nervt einfach, vor allem wenn es häufig vorkommt. Damit muss ich leben können.

Wie stehts mit Body Shaming?

Davon habe ich noch nie gehört.

Wenn abfällig über Frauenkörper geredet wird.

Ach so, doch das gibt es oft. Ich habe halt keine Size Zero und mit meinem gemachten Körper und meinem gemachten Gesicht höre ich jeden Tag abfällige Kommentare, sei es auf der Strasse oder in meinem Chat.

«Mit meinem gemachten Körper und Gesicht höre ich jeden Tag abfällige Kommentare.»

In Ihrem Chat?

Wenn ich Webcam-Shows mache, dann loggen sich die Zuschauer in meinem Chat ein. Ich habe ein kleines Zimmer bei mir zuhause eingerichtet und da sitze ich dann auf dem Sofa, chatte mit meinen Kunden und gehe auf ihre Wünsche ein. Da gibt es alles; solche die nur reden wollen bis hin zu perversen Fantasien. 

Was geht dabei in Ihrem Kopf vor?

Party! (Lacht). Ich hör dann Musik im Hintergrund, bin gut gelaunt.

Was ist der perfekte Soundtrack zu Ihrer Arbeit?

Bei mir läuft meistens Metal oder Rock. 

Sind Sie zufrieden mit Ihrem Körper?

Nein (lacht). Sonst würde ich ihn ja nicht operieren. Danach bin ich happy. Aber die Lippen muss man halt regelmässig nachspritzen lassen. Und bei den Brüsten denke ich oft, da könnte es noch etwas mehr vertragen. Andere machen Sport oder Diäten, ich lasse mich operieren. Aber im Grossen und Ganzen bin ich zufrieden. Sonst könnte ich diesen Job nicht machen.

Haben Sie Vorbilder?

Nicht wirklich. Früher war ich ein bisschen Fan von Aische Pervers, wir sind auch privat befreundet. Sie war eine von den Ersten, die ich aus der Branche kannte. Aber als Vorbild würde ich sie jetzt nicht sehen. Ich bin einzigartig in der Branche, da brauche ich keine wirklichen Vorbilder.

«Mein Partner will nichts mit der Szene zu tun haben.»

Was ist mit Fachbüchern?

Fachbücher lese ich, aber keine, die von meinem Gewerbe handeln. Im Moment zum Beispiel gerade solche über Hunde und Wachteln. Wir haben uns kürzlich Zwergwachteln gekauft, die sind etwa so gross wie Küken und sind sehr niedliche Haustiere. 

Sie wohnen mit Ihrem Partner zusammen.

Ja, aber der will nichts mit der Szene zu tun haben.

Wie haben Sie sich kennengelernt?

Das war ganz normal, im Ausgang. Wir kamen aus der Bar heraus und er war mit einer Freundin von mir da. Da habe ich aber noch nicht in der Pornobranche gearbeitet. Da war ich noch ganz anständig (lacht).

Stört ihn Ihr Beruf nicht?

Inzwischen nicht mehr, nein. Am Anfang war das anders, er musste ein bisschen hineinwachsen. Aber es war ja auch nicht so, dass ich von einem Tag auf den andern sagte: «Schatz, ich will jetzt Pornos drehen.» Das kam langsam. Er konnte sich daran gewöhnen. Und nach Drehschluss ist ja immer er derjenige, der mich mit nach Hause nehmen darf.

Ist es schwierig, als Pornostar einen Freund zu finden?

Ich denke schon. Ich bin da eher ein Ausnahmefall. Das sehe ich bei meinen Kolleginnen – man weiss dabei nie: Will er mich als Mensch oder wegen meines Berufs? Das ist schon sehr schwierig.  

Haben Sie schon mal einen Dreh verweigert?

Ja, einmal. Da hatte der männliche Darsteller keinen gültigen Test dabei. So etwas geht bei mir nicht. Ich für meinen Teil drehe nur mit Darstellern, die über einen gültigen Volltest verfügen, der beweist, dass sie keine Geschlechtskrankheiten haben.

«Ich drehe nur mit Darstellern, die über einen gültigen Volltest verfügen.»

Sind solche Tests vor jedem Engagement Pflicht?

Ich weiss nicht wie die Gesetzeslage im Detail ist, aber ich vermute, dass es Pflicht ist.

Wissen Sie jetzt mehr über Sex als vorher?

Nein. Aber ich kann jetzt mehr ausprobieren. Das ist der einzige Unterschied. Man muss diese Naturgeilheit ja schon ein bisschen in sich tragen für diesen Beruf. Nymphomanisch veranlagt sein. Und ich habe gelernt, was es so alles gibt, die ganzen Fetische. Das ist schon toll. 

Und was sagen Ihre Eltern zu Ihrem Beruf?

Die finden das super (lacht). Es ist ein kleines Familienunternehmen, meine Tante unterstützt mich zum Beispiel bei meinen Fotos oder Poster, die drucke ich alle bei ihr. Ich verdiene mein eigenes Geld, ich bin zufrieden, ich bin selbstständig – was könnten sich Eltern mehr wünschen für ihre Tochter? 

«Ich musste mich nie vor meiner Familie rechtfertigen.»

An Familienfesten sagen Sie also nicht: «Ach, gestern habe ich mich grad von einem Typen in den Arsch bumsen lassen.»

(Lacht.) Nein, eher: «Ich war gerade in Berlin und hatte einen Dreh.» So etwas. Aber ich musste mich nie rechtfertigen vor meiner Familie. Ich bin sehr offen erzogen worden, zum Glück. 

Würden Sie das bei Ihren eigenen Kindern auch so handhaben?

Ich will nie Kinder. Aber wenn ich welche hätte, würde ich das auch so machen, ja.

Was machen Sie, wenn Sie mal nicht mehr im Pornobusiness sind? Irgendwelche Zukunftsträume?

Darüber mache ich mir jetzt noch keine Gedanken. Aber sicher was mit Medien, das würde mich interessieren.

Und wenn Sie schlafen? Wovon träumt ein Pornostar nachts?

Ich habe sehr oft Albträume. Dass ich erstochen werde, immer von vorne, immer in die gleiche Stelle oberhalb der Hüfte. Keine Ahnung wieso. Und ich erkenne nie, wer es ist, der mich da ersticht. Manchmal träume ich auch, dass mir meine Hunde weggenommen werden. Sexträume hab ich nie, leider (lacht). Eigentlich witzig. Mein Kopf braucht wohl die Pause.

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Erotikmesse «Extasia», 2. bis 4. Dezember, Messe Basel.

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