Eine kulinarische Inkarnation: Der gelbe Christus am Brotkreuz

Paul Gauguin fand die bretonische Frömmigkeit inspirierend. Und er wollte die Farben befreien. Daraus entstanden ist das Gemälde «Le Christ jaune». Dieses wiederum inspirierte Koch Thierry Boillat kürzlich zu seiner neusten Vorspeise. Ein wahrhaft himmlisches Mahl. Samstagnachmittag in der Fondation Beyeler. Die Museumgäste lassen sich von einem Ausstellungsraum zum nächsten treiben. Auch der Stucki-Koch Thierry […]

Gauguins gelber Christus für einmal auf dem Teller, statt an der Museumswand.

Paul Gauguin fand die bretonische Frömmigkeit inspirierend. Und er wollte die Farben befreien. Daraus entstanden ist das Gemälde «Le Christ jaune». Dieses wiederum inspirierte Koch Thierry Boillat kürzlich zu seiner neusten Vorspeise. Ein wahrhaft himmlisches Mahl.

Samstagnachmittag in der Fondation Beyeler. Die Museumgäste lassen sich von einem Ausstellungsraum zum nächsten treiben. Auch der Stucki-Koch Thierry Boillat ist unter ihnen. Er hält Ausschau nach dem Bild, das er später mit Lebensmitteln nachkochen wird.

Der Weg durch die Ausstellung führt vorbei an den weltberühmten Frauen der Südsee, die seelenruhig von den Wänden schauen. Und dann finden wir uns in Paul Gauguins Bretagne-Phase wieder. In einem goldenen Rahmen hängt das Gemälde «Le Christ jaune» – der gelbe Jesus. Zu den heiligen Füssen sitzen bretonische Bäuerinnen, die andächtig zu Boden schauen.

(Bild: ©Fondation Beyeler)

Boillat ist begeistert und sagt: «Das ist das einzige Bild in dieser Ausstellung, bei dem ich mir vorstellen kann, dass es auch richtig gut schmecken kann.» Den Geschmack des gelben Jesus wird er später in seiner Küche designen. Die ersten Ideen kommen ihm bereits beim Anblick.

Die gelben Wiesen und rötlichen Bäume auf dem Bild könnten auch hier und jetzt sein, im Frühling in Riehen. Saisonaler geht nicht.

Die Grenzen der kreativen Küche: Gauguins Frauen

Boillat hat sich dagegen entschieden, ein Bild von Gauguins Südsee-Aufenthalt umzusetzen. Bestimmt hätte sich auch mit einer Schote bester Tahiti-Vanille ein interessantes Gericht kreieren lassen. Doch die Frauen nachzukochen, die auf den Bildern im Mittelpunkt stehen, das konnte sich der Koch nicht vorstellen.

Auch die kreative Küche hat ihre Grenzen, «und diese Grenzen muss ich jedes Mal wieder neu ausfindig machen», sagt Boillat. Deshalb hat er den gelben Jesus ausgewählt – ausgerechnet.

Die Parallelen zwischen Kunst- und Kochstil

Gauguin hat 1886 im bretonischen Fischerdorf Pont-Aven eine Kunstschule besucht. In den folgenden Jahren verbrachte er viel Zeit in der Bretagne und entwickelte eine neue Kunstrichtung, den Synthetismus.

Der Stil lässt sich am Gemälde des gelben Christus gut erkennen. Er zeichnet sich zum einen durch klare Linien und Farbflächen aus. Zum andern dadurch, dass der Künstler auch seine eigenen Gefühle abbildet.

Boillat erkennt in dieser Kunstrichtung einige Parallelen zu seinem Kochstil. Für ihn bedeutet das, wenige Zutaten zu verwenden und dennoch möglichst viel aus ihrer Kombination herauszuholen. Klar und intensiv. Ohne viel Schnickschnack.

Gauguin liess sich in der Bretagne von der Frömmigkeit inspirieren. Alltägliches trifft auf Himmlisches. In einer Werkbetrachtung der Fondation Beyeler sagt der Kurator, das revolutionäre am Bild sei die Farbgebung. Gauguin wollte die Farben befreien. Und Gelb war seine Lieblingsfarbe.

Mais, Mais und Mais

Ortswechsel zum Restaurant Stucki. In der Küche liegt ein gelbes Poulet auf der Anrichte. Es ist eine Maispoularde. «Von einem Huhn, das überwiegend mit Mais gefüttert wurde», erklärt Boillat. Deshalb die Farbe. Der Koch hat sein schwarzes Arbeitsoutfit an und ist parat.

Auf einer Wiese hat er Löwenzahn und Wildkräuter eingesammelt. Die wichtigste Zutat des Salats wird aber Mais in drei Varianten sein: klassisch, geröstet und als Popcorn. Eine Fläche mit frischen Blaubeeren und Blaubeer-Humus soll die bretonischen Bäuerinnen darstellen.



Das Kreuz aus Brot: Es bedarf einem genauen Blick, die Brotscheiben im richtigen Mass anzurichten.

Das Kreuz aus Brot: Es bedarf einem genauen Blick, die Brotscheiben im richtigen Mass anzurichten. (Bild: Basile Bornand)

Das Kreuz ist das Erkennungsmerkmal. In diesem Fall ein Kreuz aus hauchdünn getoasteten Brotscheiben. Ein knuspriges Bett für den zarten Poulet-Jesus.

Der Teller, eine Plattform für den Koch

Das spannende an Boillats Kochkunst ist, dass sie zum Denken anregt. Eine Eigenschaft, die man Essen normalerweise nicht zuschreibt. Ganz zu Unrecht, findet Boillat. «In den letzten Tagen habe ich mit einigen Menschen über Glauben gesprochen, mit denen ich das sonst nicht getan hätte.» Kochen könne auch ein Verarbeitungsprozess sein und eine Plattform, um etwas auszusagen.

Auf dem Teller sortiert Thierry Boillat die einzelnen Zutaten behutsam um das Kreuz herum. Die frischen Kräuter und Blumen drapiert er auf dem Maissalat. Auf keinen Fall darf am Schluss der Rahmen fehlen. Er verleiht dem Gericht eindeutig musealen Charakter. Und die Inkarnation des «Christ jaune» kann serviert werden.

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Rezept: Ribelmais-Poularde mit Kurkuma-Frischkäse, Zuckermais mit Zitronenolivenöl, Koreander-Popkorn und Blaubeer-Humus

Für 4 Personen

Poulet
2 Pouletbrüste
4 Pouletbrust-Filets
Salz
Rapsöl, zum Braten

Die mit Salz gewürzten Pouletbrüste auf allen Seiten goldgelb anbraten. Bei 170 Grad im Heissluft-Ofen auf dem Gitterrost ca. 12 Minuten fertig garen. Die Pouletfilets ebenfalls würzen und goldgelb braten. Nach dem Garen alles auf Zimmertemperatur kühlen. Die Poulethaut von der Brust lösen und sie nochmals in den Ofen schieben bis sie eine knusprige Konsistenz angenommen hat. Dann ebenfalls auskühlen lassen und später als Garnitur verwenden. Die Brust in feine Streifen zupfen. Die Filets ganz lassen.

Kurkuma-Frischkäse
120g Frischer Quark vom Bauernhof
50g Crème Fraiche
25g Passionsfrucht-Essig
2 Prisen Kurkuma (am besten von der frischen Knolle reiben)
Fleur de Sel

Alle Zutaten in eine Schüssel geben und mit einem Schwingbesen verrühren. Mit Fleur de Sel abschmecken und das gezupfte Poulet damit anmachen. Vorher etwas von der Sauce in eine Spritzflasche abfüllen. Mit Hilfe der Flasche Punkte auf das Pouletfilet dressieren. Das Filet jeweils auf den angerichteten Pouletsalat setzen (siehe Anrichtevideo).

Zuckermais
2 Maiskolben, gekocht aus dem Vakuumbeutel
bestes Zitronenolivenöl
türkischer Knuspermais
Chicorée-Streifen (siehe Video) für die Garnitur verwenden

Die Maiskolben aus dem Vakuum nehmen. Hochkant lange Maisstreifen vom Kolben schneiden. Den Mais dann in kleinere Stücke brechen, mit Zitronenolivenöl marinieren und mit den knusprigen Maiskörnern vollenden.

Blaubeer-Humus
200g gekochte Kichererbsen (roh ca.100g)
100g Blaubeersaft von wilden Blaubeeren (gibt es von Biotta)
50g Kokosmilch
Ca. 200g Gemüse-Bouillon
1 Prise gemahlener Wachholder
20g bestes Olivenöl
Salz und Zitronensaft zum abschmecken

Alle Zutaten zusammen mixen und mit der Bouillon den Humus auf die gewünschte Konsistenz bringen und abschmecken. Frisches Popcorn zubereiten und mit gemahlenen Koreandersamen und Salz verfeinern. Das Popcorn und frische halbierte Blaubeeren als Garnitur verwenden.

Tipp: Für dieses Gericht kann auch übriggebliebenes Poulet vom Grill verwendet werden.

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