Das Berner Obergericht beurteilt den tödlichen Raserunfall von 2011 in Täuffelen BE anders als die erste Instanz. Es sieht im zweiten am Unfall beteiligten Junglenker keinen Mittäter und hat ihn vom Vorwurf der eventualvorsätzlichen Tötung freigesprochen.
Das Berner Obergericht verhängte am Donnerstag gegen den heute 24-jährigen lediglich eine bedingte Geldstrafe wegen zwei grober Verkehrsregelverletzungen. Die erste Instanz hatte den jungen Mann im Dezember 2015 noch als Mittäter betrachtet und unter anderem wegen eventualvorsätzlicher Tötung zu sieben Jahren verurteilt.
Weniger Erfolg mit seiner Beschwerde ans Obergericht hatte der eigentliche Unfallverursacher, auch er ein 24-jähriger: Die zweite Instanz verurteilte ihn wegen eventualvorsätzlicher Tötung und weiterer Delikte zu einer Freiheitsstrafe von fünfeinhalb Jahren. Die erste Instanz hatte noch siebeneinhalb Jahre verhängt.
Die Verteidiger der beiden Schweizer hatten am Montag vor dem Obergericht in Bern eine deutliche Strafminderung respektive einen Freispruch beantragt.
Mit beinahe Tempo 100 durchs Dorf
Als 18-jährige fuhren die beiden Freunde und Nachbarn kurz vor Weihnachten 2011 von Hagneck BE aus in Richtung Biel. Der eine am Steuer eines Kleinwagens, der andere lenkte einen BMW. Sie lieferten sich ein «Kräftemessen», wie die beiden Gerichte festhielten: Wenn der BMW-Fahrer überholen wollte, beschleunigte der VW-Fahrer.
In Täuffelen überholte der BMW-Fahrer schliesslich seinen Kollegen innerorts mit einer Geschwindigkeit von fast 100 Stundenkilometern, wie spätere Analysen ergaben. Dabei verlor er die Herrschaft über sein Fahrzeug, worauf dieses zuerst gegen ein entgegenkommendes Auto prallte und dann drei Menschen erfasste.
Es handelte sich um eine Familie, welche eben daran war, auf einem Fussgängerstreifen die Strasse zu überqueren oder dies bereits getan hatte. Der Vater starb noch auf der Unfallstelle, die Mutter wurde verletzt, so wie auch eines der beiden Kinder.
Der Fahrer des entgegenkommenden Autos wurde schwer verletzt, so wie auch der Unfallverursacher selber.
Obergericht vergleicht mit Gelfingen LU
Kein Mittäter sei der Fahrer des Kleinwagens gewesen, sagte der vorsitzende Richter am Donnerstag in Bern, weil es etwa im Vergleich zum Raserunfall von Gelfingen LU von 1999 kein Rennen zwischen den beiden Fahrern gegeben habe. Die beiden Berner hätten zwar auf der Strasse ein unverantwortliches Spiel getrieben, «dumm getan», wie sie selber gesagt hätten, und sich gegenseitig provoziert.
Der Fahrer des Kleinwagens habe sich aber keines Tempoexzesses schuldig gemacht, obwohl er beschleunigt habe, um dem BMW-Fahrer das Überholen zu erschweren. Mit sehr viel mehr als 50 Stundenkilometern sei er beim fatalen Überholmanöver seines Kollegen nicht unterwegs gewesen, sagte der Richter. Die Vorinstanz ging von Tempo 70 aus.
Dem Fahrer des Kleinwagens könne auch nicht nachgewiesen werden, dass er beim fatalen Überholmanöver das Wiedereinbiegen des BMW-Fahrers auf die rechte Fahrspur habe verhindern wollen.
In Gelfingen LU rasten 1999 zwei VW-Corrado-Fahrer nach einem spontanen Rennen ins Dorf hinein. Einer der beiden verlor mit weit über 100 Stundenkilometern die Herrschaft über sein Fahrzeug und tötete zwei Jugendliche.
Der andere wurde als Mittäter betrachtet; sein Verhalten wiege gleich schwer wie das des anderen. Das sei doch ein anderer Fall als jener in Täuffelen, sagte der vorsitzende Berner Richter.
Mit Hinweis auf die damals gegen die beiden Gelfinger Raser ausgesprochenen Strafen von je sechseinhalb Jahren reduzierte das Berner Obergericht auch die Dauer der Haftstrafe für den Täuffeler Unfallverursacher. Dessen Verschulden sei nicht ganz so hoch, sagte der Richter.
Ausserdem habe der Mann echte Reue gezeigt, lasse sich therapieren, sei gut integriert, sehr jung gewesen und seit dem Unfall sei sehr viel Zeit vergangen.