«Einer nach dem Anderen» – In der Reihenfolge ihres Abgangs

Ein Abspann mal ganz anders. Die beteiligten werden in der Reihenfolge ihres Abgangs angezeigt. Ein humoriger Rachefeldzug im eisigen Norwegen. Der englische Titel erinnert an «In Order of Disappearance (in der Reihenfolge ihres Auftretens)». Das weist darauf hin, dass es hier eine «Reihenfolge des Ablebens» geben könnte. Das trifft denn auch ein. «Einer nach dem […]

Ein Abspann mal ganz anders. Die beteiligten werden in der Reihenfolge ihres Abgangs angezeigt. Ein humoriger Rachefeldzug im eisigen Norwegen.

Der englische Titel erinnert an «In Order of Disappearance (in der Reihenfolge ihres Auftretens)». Das weist darauf hin, dass es hier eine «Reihenfolge des Ablebens» geben könnte. Das trifft denn auch ein. «Einer nach dem Anderen» geht ab. Und kaum einer freiwillig. Nur einer bleibt.

Ein Abspann auf Raten

Dabei beginnt alles ganz bieder: Vater Dickmann (Stellan Skarsgård) ist Scheefräser. Er ist zum Bürger des Jahres in einem kleinen Dorf in Nordnorwegen gewählt worden. Er ist wortkarg. Seine Frau spröde.

Der Schneepflüger Dickmann hat in seiner Ehe viel falsch gemacht. Zumindest ist seine Frau stark dieser Meinung. Seine Arbeit ist eintönig, aber überlebenswichtig. Er muss Schnee von der Strasse pflügen.

Norwegische Parodie mit hohem Imitationswert

Dennoch erinnert fast alles an Filme, die wir schon gesehen haben. Einmal spritzt das Blut wie in «Fargo» in den Schnee, mal rauscht der Laster wie in Spielbergs «Duell» herbei, mal findet eine Schlussabrechnung wie in «Pulp Fiction» statt und lakonische Dialoge wie in «Jackie Brown».

Falls es uns an nichts erinnert, erinnern uns die Figuren daran, dass auch sie der Film an etwas erinnert: An andere Filme, wie z.B. «Dirty Harry». Als wir den ersten Toten sehen, und dessen Namen und den des Darsteller eingeblendet kriegen, ahnen wir schon: weitere werden folgen. Als der zweite Tote in die Tiefe der Fjorde fällt, wissen wir, dass ein über den ganzen Film verteilter Abspann folgen wird. Auch das erinnert – an ein altes Volkslied: «Zehn kleine  … ».

Ein Vater übt Selbstjustiz

Die Gattin den Schuldigen am Tod ihres Sohnes rasch gefunden: Es ist ihr Mann. In einem Abschiedsbrief sagt sie, was noch zu sagen ist, dann verlässt sie ihn. Als Dickmann den Brief liest, ist er – leer!

Für den Vater Dickmann (Stellan Skarsgård) ist klar: Man hat seinen Sohn umgebracht. Da die Polizei das nicht so sieht, packt Dickmann die Sache selber an. Er fräst mit einem messerscharfen Pflug den Schnee von der Strasse. Er schabt sich mit dem Messer den Rasierschaum von der Wange.

Bald ist er auf der Jagd nach einem ganz anderen Weiss: Mit Urgewalt pflügt er das Schnee-Business um. Es geht um Kokain-Handel im hohen Norden. Mit seinem riesigen Schneepflug, seinem Gewehr und einem überraschenden Spürsinn legt Dickmann eine blutige Spur. Brutal ermordet er den Mörder seines Sohnes (nach drei Minuten). Dann seinen Gehilfen (nach sieben Minuten). Dann dessen Kumpel (nach neuen Minuten). Erst als er den Auftraggeber beseitigen will, dauert das  etwas länger.

 

So entwickelt sich der Rachefeldzug zu einer vergnüglichen Genre-Parodie, und schafft gleichzeitig zunehmend Spannung: Bald hat Dickmann nicht nur die Koks-Mafia gegen sich aufgebracht, sondern auch die rivalisierende serbische Heroin-Mafia. Derart in die Enge getrieben, entführt er den Sohn des Mafia-Bosses, und bringt dadurch die Schnee-Lawine endgültig ins Rollen.

 

Auftritt Bruno Ganz

Jetzt ist nämlich auch die Serben-Mafia alarmiert. Der Boss der Familie ist ein bekanntes Gesicht: Bruno Ganz verleiht dem serbischen Gangster-Boss altväterlich, unerbittliche Züge. Höchst vergnügt verfolgt er ein Skirennen der Kinder, während er zwischendurch auch einmal eine Sprache spricht, die Ganz so ganz nicht lieg: Er schiesst.

Dann folgt, was schon bei Tarantino immer genüsslich funktioniert: Der zugespitzte Showdown zweier rivalisierenden Mafia-Fraktionen. Am Ende ist auch das weisseste Weiss in Nordnorwegen blutrot gefärbt.

Der Regisseur Hans Peter Moland präsentiert diesen blutigen Thriller, ohne uns lange mit unserem Entsetzen allein zu lassen. Er findet rasch zu einer immer leichteren Hand: Die Racheballade entpuppt sich so als herzlich ironisches Genrespiel: Wenn etwa der entführte Sohn sich beim Entführer Dickmann wohl fühlt, konstatiert er gleich selber, beim Einschlafen, womit Entführte immer wieder zu kämpfen haben: «Kennen Sie das Stockholm-Syndrom?»

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