In der Schweiz steigt gemäss einer Studie jeder zehnte Arzt frühzeitig aus seinem Beruf aus. Am häufigsten wird der Ausstieg mit dem Arbeitspensum, den Arbeitszeiten und der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf begründet.
Der Anteil der ausgestiegenen Ärztinnen und Ärzte liegt zwischen 8,4 und 12,9 Prozent. Dies bedeutet, dass etwa 80 der rund 800 pro Jahr ausgebildeten Ärzte im Lauf ihrer Berufslaufbahn die kurative Tätigkeit am Patienten aufgeben, wie die Ärztegesellschaft FMH und der Verband der Assistenz- und Oberärzte (VSAO) am Mittwoch bekannt gaben.
Der Anteil der Frauen, die aus dem Beruf ausgestiegen sind, liegt gemäss der Studie etwas höher als bei den Männern. Für die grosse Mehrheit ist der Ausstieg aus der Behandlung von Patienten definitiv. Nur gerade jeder Zehnte der Aussteiger hält es für eher oder sehr wahrscheinlich, wieder in den Arztberuf zurückzukehren. Bei den Frauen liegt dieser Anteil etwas höher.
Eine im Frühjahr veröffentlichte Analyse des Schweizerischen Gesundheitsobservatoriums (Obsan) ergab sogar noch eine höhere Ausstiegsquote. Demnach wechselt sogar fast jeder dritte Arzt im Laufe der Karriere den Beruf, die Branche oder gibt die Erwerbstätigkeit auf.
Vielfältige Gründe
Für den Ausstieg gibt es viele Gründe. Rund ein Drittel nennt gemäss der Studie als wichtigsten Grund das Arbeitspensum und die Arbeitszeiten. Für je gut ein Fünftel der Befragten waren die mangelnde Vereinbarkeit des Arztberufs mit der Kinderbetreuung oder die Arbeitsinhalte ausschlaggebend.
Die ausscheidenden Ärztinnen und Ärzte haben ein kritischere Bild des Arztberufs als ihre noch kurativ tätigen Kollegen. Eine unbefriedigende Situation im Arzt Beruf wird etwa gleich häufig als Grund für die Aufgabe angegeben wie attraktive Alternativen.
Unbestritten ist gemäss FMH die Tatsache, dass ärztliche Qualifikationen auch für andere Tätigkeiten wie Versicherungsmedizin, Verwaltung, Forschung und anderes nützlich oder gar notwendig sind.
Eine Reihe von Forderungen
Gerade im Hinblick auf den zunehmenden Ärztemangel müsse vermieden werden, dass Ärztinnen und Ärzte ihre kurative Tätigkeit am Patienten aufgeben, schreibt die FMH. Um den Ausstieg zu vermeiden, stehen aus der Sicht der FMH und des VSAO verschieden Massnahmen im Vordergrund.
So unterstehen zwar seit dem 1. Januar 2005 alle Assistenzärztinnen und -ärzte dem Arbeitsgesetz. Vielerorts sei dies aber nach wie vor nicht in die Praxis umgesetzt. Notwendig seien auch zeitgemässe Arbeitsbedingungen, etwa mit der Schaffung von Teilzeitstellen in allen Bereichen und auf allen Hierarchiestufen.
Weiter sollte die administrative Belastung reduziert werden. Die Attraktivität des Arztberufs könne gesteigert werden, indem die Zeit mit dem Patienten wieder im Mittelpunkt stehe und dadurch die sinnstiftenden Arbeitsinhalte und die Wertschätzung erhöht würden. Ärzte sollten zudem bei der Praxiseröffnung und -übernahme unterstützt werden.
Bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie
Auch eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie soll angestrebt werden. Dazu sei die Förderung von Kinderkrippen und Kinderbetreuung mit voller Abdeckung der unregelmässigen Arbeitszeiten notwendig.
Die Studie wurde vom Büro Vatter und vom Forschungsinstitut gfs.bern im Auftrag der FMH und des VSAO durchgeführt. In die Analyse einbezogen wurden alle Ärztinnen und Ärzte, die zwischen 1980 und 2009 in der Schweiz ihr Ärztediplom erworben haben.