Wenige Wochen vor der Abstimmung über eine Einheitskasse hat das neue Krankenkassen-Aufsichtsgesetz den Durchbruch geschafft. Der Nationalrat hiess die Vorlage am Dienstag im zweiten Anlauf gut, wenn auch in einer abgespeckten Version.
Zunächst hatte es nicht gut ausgesehen für das Aufsichtsgesetz. Die bürgerliche Mehrheit im Nationalrat war der Ansicht, dass den Krankenkassen damit zu straffe Zügel angelegt würden. Die Mehrheit störte sich etwa an der vom Bundesrat vorgeschlagenen Aufsicht über Versicherungsgruppen, welche auch private Zusatzversicherer erfasst hätte.
Die Bedenken waren aber grundsätzlich. Der Nationalrat wies die Vorlage im letzten Dezember darum an den Bundesrat zurück mit dem Auftrag, das Aufsichtsgesetz fallen zu lassen und die Aufsicht durch eine Ergänzung des Krankenversicherungsgesetzes zu stärken. Der Ständerat beharrte jedoch auf einem gesonderten Gesetz, worauf der Nationalrat auf seinen Entscheid zurückkam.
Zähneknirschende Zustimmung
Am Dienstag nun lag ihm eine von seiner Gesundheitskommission (SGK) abgeschwächte Version vor. Die SVP versuchte erneut, die Schaffung eines eigenständigen Aufsichtsgesetzes zu blockieren. Thomas de Courten (SVP/BL) schlug vor, dieses komplett oder in wesentlichen Teilen ins Krankenversicherungsgesetz zu integrieren. Es gelte, Überregulierung, hohe Kosten und unverhältnismässige Befugnisse für die Aufsichtsbehörde zu verhindern, sagte er.
Die übrigen bürgerlichen Fraktionen votierten jedoch für ein separates Gesetz – wenn auch zähneknirschend. Viele Rednerinnen und Redner orteten das Problem zwar eher beim Vollzug als bei den gesetzlichen Grundlagen. Sie unterstützten aber das Aufsichtsgesetz, um den Befürwortern der Initiative für eine Einheitskrankenkasse keine Munition zu liefern. Die Vorlage sei zum Spielball in dieser Debatte geworden, beschwerte sich BDP-Sprecher Lorenz Hess (BE).
Nach diesem Grundsatzentscheid traten die bürgerlichen Fraktionen mehrheitlich geschlossen auf. Bei der Gruppenaufsicht folgten sie dem vom Ständerat eingeschlagenen Kurs: Statt umfassender Kontroll- und Weisungsbefugnisse gegenüber Versicherungsgruppen soll das Bundesamt für Gesundheit (BAG) lediglich Einblick in die Transaktionen zwischen Grundversicherern und anderen Unternehmensteilen erhalten.
Fehr: «Lauwarmer Kompromiss»
Vergeblich setzten sich SP, Grüne und Grünliberale für die vom Bundesrat vorgeschlagene umfassende Gruppenaufsicht ein. Ohne diese werde das Aufsichtsgesetz in einem entscheidenden Punkt geschwächt, sagte Jacqueline Fehr (SP/ZH). Der «lauwarme Kompromiss» des Ständerats sei nicht im Interesse der Versicherten. Die bürgerliche Mehrheit blieb in dem Punkt aber unnachgiebig und sprach sich mit 115 zu 76 Stimmen für die abgeschwächte Aufsicht aus.
Deutlich lehnte sie auch den Vorschlag der Linken ab, den Prämienunterschied zwischen den einzelnen Kassen in einem Kanton oder in einer Region innerhalb einer Prämienkategorie auf 20 Prozent zu begrenzen. Die Mehrheit sah darin eine «politische Grösse», die in einem Aufsichtsgesetz nichts verloren habe.
Mit dem Anliegen, dass Krankenkassen-Prämien erst nach der Genehmigung veröffentlicht werden dürften, scheiterte die Linke ebenfalls. Marina Carobbio (SP/TI) warnte vergeblich, dass absichtlich zu tief angesetzte Prämien für die Anwerbung von Versicherten missbraucht werden könnten. Die Mehrheit unterstützte aber den Vorschlag der Kommission, dass die Prämien vorzeitig nur mit dem Hinweis auf die ausstehende Genehmigung veröffentlicht werden dürfen.
Gestärkte Aufsicht
Aber auch die SVP konnte sich nicht durchsetzen. Keine Mehrheit fand etwa ihre Forderung, die Bildung übermässiger Reserven aus dem Katalog der Gründe zu streichen, aus welchen die Aufsichtsbehörde die Genehmigung der Prämien verweigern darf. Es handelt sich um eine zentrale Neuerung der Vorlage.
Diskussionslos gutgeheissen hat der Nationalrat den Vorschlag seiner Kommission, wie zu hohe Prämienzahlungen in Zukunft ausgeglichen werden sollen: Versicherer, die in einem Kanton deutlich zu viel an Prämien eingenommen haben, sollen einen Ausgleich im gleichen Kanton vornehmen können.
Die Rückerstattung würde an alle Versicherten erfolgen, die im Vorjahr zu viel bezahlt haben – auch wenn diese seither den Versicherer gewechselt haben oder aus dem Kanton weggezogen sind. Der Ständerat hatte im März 2013 beschlossen, dass ein Ausgleich zwingend ist, jedoch erst im übernächsten Jahr erfolgen soll und nur an jene Versicherten, die ihrer Krankenkasse treu geblieben sind.
Branchenlösung zu Werbeanrufen
Das Problem der lästigen Werbeanrufe soll die Branche nach Ansicht des Nationalrats selber lösen. Er will ihr dazu die Möglichkeit geben, eine Branchenvereinbarung abzuschliessen. Anders als der Ständerat lehnt die grosse Kammer eine Begrenzung von Werbekosten und Vermittlerprovisionen durch den Bundesrat jedoch ab.
Auch bei der Offenlegung des Entschädigungssystems will der Nationalrat weniger weit gehen als der Ständerat: Zwar soll der Gesamtbetrag der Entschädigungen von Verwaltungsrat und Geschäftsleitung bekannt gegeben werden müssen, zudem auch der höchste auf ein einzelnes Mitglied entfallende Betrag. Namen sollen aber keine genannt werden.
Auch die Strafbestimmungen schwächte der Nationalrat etwas ab. In der Gesamtabstimmung hiess er die Vorlage schliesslich mit 139 zu 40 Stimmen bei 8 Enthaltungen gut. Diese geht nun wieder an den Ständerat.