Früher kurvten sie mit dem geklauten Ykaufswäägeli durch die Fasnacht. Heute ist der Wagen der «Bastaardä-Waggis» motorisiert – und ganz legal. Doch auch so hat die Fasnacht für sie noch immer den gleichen Reiz.
In einer alten Lagerhalle in Dornach steht eine Burg. Keine echte natürlich. Eine aus Holz, Styropor und Metall. Aber mit Wimpeln, einem Wappen und zinnenbesetzten Türmen.
Sie ist das Werk von sieben Freunden. Diese haben in den letzten Monaten mehrmals pro Woche an ihr gebaut. Am Fasnachtsmontag erfüllen sich die sieben Freunde zum zehnten Mal ihren Bubentraum: Waggis sein.
Res, Simon, Fabian, Patrick, Daniel, Andreas und Raphael heissen die Mitglieder des Septetts. Sie sind die «Bastaardä-Waggis» und kommen aus Birsfelden — pardon, aus «Blätzbums» natürlich.
Eine Leidenschaft, die verbindet
Als wir sie besuchen, sind es noch fünf Tage bis zum Cortège. Ihr Wagen ist noch nicht ganz fertig. Vier von ihnen hämmern und pinseln immer noch fleissig am Gefährt. Aber das Ende ist in Sicht.
Fabian ist der Künstler der Truppe. Hier malt er an der Verkleidung des Traktors, der die Burg am Cortège ziehen wird. (Bild: Alexander Preobrajenski)
Die Brüder Simon und Fabian waren früher immer mit der Clique ihrer Eltern im Vortrab unterwegs. Doch eigentlich wollten die beiden immer nur eins: auf die Waggis-Wagen rauf. «Aber das ging nicht, wir kannten ja keine Wagen-Clique.»
Andere «Bastaardä» waren früher als Laternenträger, als Mini-Waggis mit selbstgemachter Larve und dann später mit geklautem Einkaufswagen und einigen Säcken Räppli an der Fasnacht unterwegs. Kurz: die «Bastaardä» waren schon immer fasnachtsbegeistert. Und den Waggis finden alle den besten aller Fasnachtsfiguren.
Wieso? Was ist so toll daran? Da muss Simon nicht zweimal überlegen: «Auch wenns kitschig klingt: anderen eine Freude zu machen», sagt er. Das sei der Reiz. Patrick ergänzt: «Sich über Leute lustig machen, ihnen ein bisschen Angst machen, auf sie eingehen. Eigentlich gehts einfach um die Interaktion.»
Seine Bestimmung hat er schon früh gefunden: Res als 7-jähriger Nachwuchs-Waggis. (Bild: zVg)
Die Truppe ist schon lange befreundet. Man kenne sich aus der Schule oder vom Handball beim TV Birsfelden. Das mit der Fasnacht war dann so eine spontane Idee im Tram – einen Monat vor Beginn der Fasnacht 2008. «Wir waren viel zu spät dran», erzählen sie. «Vor allem für einheitliche Larven, die wir uns bei Dildi besorgen wollten.»
Doch die damaligen Schüler wussten sich zu helfen. Sie kauften sich Räppli im Handel, die Kostüme habe Daniels Mutter geschneidert, die Rikscha hätten die Eltern von Simon und Fabian spendiert. «Und dann trauten wir uns fast nicht, beim Comité durchzulaufen. Sie haben uns aber erst ein Jahr später gegrüsst und gefragt, wer wir seien.»
Die «Bastaardä-Waggis» 2008 an ihrer ersten gemeinsamen Fasnacht. (Bild: zVg)
Geändert haben sich in den Jahren danach nicht nur Sujets, Larven und Kostüme, sondern vor allem der Wagen: Nach dem Selbertrampeln auf der Rikscha und dem Ziehen und Stossen in den Jahren darauf kam 2015 der erste, motorisierte Wagen. «Wir waren beim Comité auf der Warteliste, um offiziell beim Cortège mitmachen zu dürfen. Und dann konnten wir überraschend schnell von einem freigewordenen Platz profitieren.»
«Zum Glück keine Geburtstagstorte»
«Dieses Jahr war es besonders schwierig. Wir mussten uns entscheiden: Wollen wir ein richtiges Sujet ausspielen oder uns selbst feiern?» Eine Hommage an den verstorbenen Schauspieler Bud Spencer sei ein Thema an den Sujet-Sitzungen gewesen, der Pokémon-Go-Hype natürlich auch. Fasnacht auf dem Mars mit einem Raumschiff als Wagen, auch diese Idee sei diskutiert worden.
Dreimal haben sich die Freunde getroffen, um ihr Sujet demokratisch zu küren. Simon schaltete sich extra via Skype zu, weil er da gerade auf Fidschi im Auslandsemester weilte. Bald war klar: Ihr zehnjähriges Jubiläum sollte im Vordergrund stehen.
«Die überdimensionale Geburtstagstorte als Wagen hat es zum Glück nicht geschafft», witzelt Patrick. «Res und Fabian hatten uns dazu schon detaillierte Pläne dazu präsentiert.» Die Angesprochenen lachen. Man probiere halt, die anderen mit allen Mitteln vom eigenen Vorschlag zu überzeugen. «Ist das Sujet aber gewählt, arrangiert man sich damit, auch wenn es nicht der eigene Favorit ist. Spätestens bei Baubeginn sind dann sowieso alle auf einer Ebene.»
Die Fasnacht fängt im Sommer an
Aus einem minimalistischen Grundgerüst aus Rädern, einer Platte und Anschlusskupplung ist seit November eine Burg geworden – oder ein «Château» wie es im offiziellen Sujet im «Rädäbäng» heisst. «Mit der Burg erfüllen wir uns einen weiteren Bubentraum», sagt Patrick.
Gehts ums Bauen, wird Fabian philosophisch: «95 Prozent der Fasnacht finden in dieser Halle statt.» Würden die ganzen Vorbereitungen und das Zusammensein keinen Spass machen, gäbe es die Bastaardä-Waggis schon lange nicht mehr, sagt er. «Das Wichtigste ist, dass man hier nicht einfach nur herkommt, um seine Aufgaben zu erledigen», findet er.
Los geht es für die Waggis-Clique am Montag auf der äusseren Cortège-Route. Erst dann kommen nach den Sujet-Sitzungen wieder alle Mitglieder zusammen. Während der Bauphase sei das nicht möglich, weil einige studieren und andere arbeiten würden. Und jeder halt auch noch andere Termine habe.
«Kurz vor Beginn löst Nervosität die grosse Vorfreude ab», sagt Res. «Am Schluss schiebe ich regelmässig Panik.» Am Wagen fehlen noch Details. Lieferungen verspäten sich. Und täglich wird der Wetterbericht gecheckt: Die «Bastaardä» sind dieses Jahr mit einem offenen Wagen unterwegs, Regen wäre dementsprechend ziemlich ungünstig.
Eins ist aber klar: Den Endstraich werden die «Bastaardä» auch dieses Jahr wieder bei der Hauptpost zelebrieren, das habe Tradition. Wenn der letzte Ton verklinge, lägen sich die Freunde in den Armen, manchmal mit Tränen in den Augen. So wird die Fasnacht wohl auch dieses Jahr für die Jubilaren enden. Und im Spätsommer schon wieder beginnen.