Einmaleins des Libertarismus – Teil II

Libertarier setzen auf Selbstversorgung, Verantwortung und weniger Staat. Wie das geht, erklärt ein Vertreter der Bewegung aus dem progressiven San Francisco. Alex Goldberg (36) habe ich beim Zelten kennen gelernt. Er lebt in der demokratischen Hochburg San Francisco und ist die einzige libertäre Stimme, der ich hier in der Stadt bisher begegnet bin. Dabei wusste […]

Libertarier setzen auf Selbstversorgung, Verantwortung und weniger Staat. Wie das geht, erklärt ein Vertreter der Bewegung aus dem progressiven San Francisco.

Alex Goldberg (36) habe ich beim Zelten kennen gelernt. Er lebt in der demokratischen Hochburg San Francisco und ist die einzige libertäre Stimme, der ich hier in der Stadt bisher begegnet bin. Dabei wusste Alex vor 10 Jahren noch gar nicht was ein «Libertärer» ist.

Nach 9/11 hatte er eine intellektuelle Epiphanie. Er erkannte, wie ernst die Lage war, und fragte sich, was das einzelne Individuum dagegen unternehmen könnte.  Basierend auf seiner Überzeugung, dass allen Menschen dieselben Rechte gebühren, entwickelte Alex seine eigene Weltansicht. Freunde, mit denen er seine Ansichten teilte, erkannten darin libertäre Ansätze. Heute ist Alex ein bekennender Libertärer und ein Anhänger von Ron Paul.

Allzeit bereit!

Alex besitzt drei Waffen: Eine 9mm Pistole, ein AR 15 Sturmgewehr und eine Flinte. «Ich bin gewappnet für jede erdenkliche Situation – ein Einbrecher in meiner Wohnung oder ein bewaffneter Aufstand. Wir lebten in einer besseren Welt, wenn mehr Menschen sich auf Notfälle vorbereiten würden. Als Teenager hätte ich nie gedacht, dass ich einmal Feuerwaffen besitzen würde. Mein Vater war ein Marine-Offizier. Er war ein Macho. Manchmal marschierte er durch die Wohnung nur mit einer Unterhose bekleidet, einen Instruktoren-Hut auf dem Kopf, und summte Marschlieder vor sich hin. Er liebte es, mit uns Kindern Kriegsfilme wie «Rambo» zu schauen. Aber seine Feuerwaffen waren immer gut verstaut hinter verschlossenen Türen.

Als Teenager habe mich gegen meinen Vater aufgelehnt.  Und wurde zum Skater. Mit Feuerwaffen konnte ich nichts anfangen. Ich war mir sicher, dass sie niemandem halfen, sondern zu mehr Kriminalität führten. Heute bin ich der Meinung, dass du bereit sein solltest, dich selber verteidigen zu können. Wir leben in einem Nanny-Staat.

Wenn ein Problem auftaucht, möchte ich es selber lösen können. Ich fühle mich sicherer, wenn ich eine Knarre Zuhause hab. Aber du musst überlegt handeln. Das ist es, was viele Leute nicht mehr können. Sie wurden konditioniert, nicht mehr nachzudenken. Die Waffen besitze ich, um mich selbst zu schützen – naja, und dann macht das Schiessen schon auch Spass.»

Alex driftet hier in eine minutiöse Beschreibung ab, wie die Mechanik einer Pistole funktioniert. Plötzlich hält er aprubt inne und lacht laut auf: «Ich höre mich reden und denke, hier spricht ein Verrückter.»

Selbstversorgung

Und dann fährt Alex mit demselben überzeugenden Eifer fort: «Es ist mir wichtig, meine libertären Ansichten und Ideen zu streuen und die Mitmenschen zum kritischen Denken anzuregen. Alle sollten verstehen, dass wir im selben Boot sitzen und es in unserem aller Interesse liegt zusammenzuarbeiten. Wenn du zum Beispiel Knowhow in einem bestimmten Bereich hast, dann solltest du es unbedingt in den Dienst deiner libertären Überzeugungen stellen, damit alle davon profitieren können. Ich zum Beispiel arbeite ja in der Gaming Industrie. Ich habe im Hinblick auf die Präsidentschaftswahlen die App „Vote Verified“ entwickelt. Es funktioniert so: Bevor du deinen ausgefüllten Stimmzettel in die Urne wirfst, öffnest du das App. Du fotografierst deinen Stimmzettel. Das Foto wird mit einer Nummer registriert und an einen Server geschickt. Wenn genügend Leute das App benützen, können wir kontrollieren, dass die Stimmen korrekt ausgezählt werden und die Wahl nicht gefälscht ist.»

Alex zeigt mir die App auf seinem Handy und fügt nicht ohne Stolz hinzu, dass er sich damit für eine US-Markenlizenz beworben hat.   

«Dreh- und Angelpunkt des Libertarianismus ist die Selbstversorgung. Ich würde am liebsten alles selber machen, auch mein Essen anpflanzen. Deshalb liebe ich das Zelten. Du stellst irgendwo dein Zelt auf und bist auf dich selbst angewiesen.»

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