Der 56-jährige Michael Daum lebt seit vier Monaten als Einsiedler in der Verenaschlucht bei Solothurn. Der gestandene Mann mit Lebensgeschichte will, dass die Einsiedelei für die Menschen wieder zum Ort der Ruhe und Einkehr wird.
«Ich bin in der Verenaschlucht angekommen. Ich verbinde mich mit diesem Ort», sagte Einsiedler Michael am Mittwoch vor den Medien im Haus der Bürgergemeinde Solothurn. Er sei liebevoll und herzlich aufgenommen worden.
Der Deutsche ist seit Anfang Oktober als spezieller Hauswart zuständig für die Einsiedelei und den Garten. Er muss die Kapellen St. Martin und St. Verena um 10 Uhr öffnen und um 17 Uhr wieder schliessen.
Einsiedler macht Eindruck
Einsiedler Michael ist ein korpulenter Mann mit grauem Haar und langem, ebenso weissem Bart. Er trägt schwarze Kleider. Er steht, so der Eindruck, mit beiden Beinen auf dem Boden. Er sieht sich auch als eine Art Hauswart für Menschen, welche die Verenaschlucht besuchen – aus Neugier, Tradition oder auf der Suche nach Antworten zu drängenden persönlichen Fragen.
«Ich bin ein Einsiedler, der für die Menschen da ist. Ich trage mein Herz auf der Zunge», sagte er über sich: «Ich bin kein Seelsorger, kein Pfarrer und kein Mönch. Ich bin einfach für die Menschen da.»
Fertig mit Rummel
Es sei ihm wichtig, dass die Einsiedelei als Ort der Stille gewahrt werde. «Die Menschen suchen dies.» Er nimmt sich selbst nicht zu wichtig. Die Besucher suchten nicht ihn, sondern die Schlucht, die Kapelle und die Natur, betonte er: «Wichtig ist der Eindruck, welche die Seele gewinnt.»
Die Bürgergemeinde Solothurn hatte den 56-Jährigen im vergangenen September als neuen Einsiedler gewählt. Die Stelle war ausgeschrieben gewesen.
Der Einsiedler aus Deutschland hatte seinen Dienst als Polizist 1984 wegen eines Unfalls quittieren müssen. Er orientierte sich beruflich neu, studierte katholische Theologie, pädagogische Psychologie und besuchte eine Heilpraktikerschule.
Die Einsiedelei St. Verena gehört zu den touristischen Attraktionen der Stadt Solothurn. Sie ist ein Kulturgut von nationaler Bedeutung und steht unter Denkmalschutz. Durch die Verenaschlucht führt ein lauschiger Spazierweg inmitten von Bäumen und entlang eines Baches. Die Schlucht ist ein kantonales Naturschutzgebiet.
Die Geschichte der Einsiedelei reicht zurück ins Jahr 300. Aus dem Jahr 1442 datiert eine erste Notiz über einen Waldbruder, der in der Einsiedelei lebte.
Bürgergemeinde ist zufrieden
«Wir sind sehr zufrieden mit ihm», sagte Sergio Wyniger, Bürgergemeindepräsident Solothurn. Der neue Einsiedler soll nach dem grossen (Medien-)Rummel in den letzten Jahren endlich wieder Ruhe und auch ein Stück Ordnung in die Verenaschlucht bringen.
Im März 2016 hatte Schwester Benedikta nach etwas mehr als eineinhalb Jahren Tätigkeit den speziellen Job gekündigt. Sie wollte wieder als Stadteremitin für Gebet und Menschen da sein.
Im Sommer 2014 war die damals 51-jährige Bernerin aus fast 119 Bewerbern und Bewerberinnen aus dem In- und Ausland ausgewählt worden. Berichte über die exotische Ausschreibung gingen wie ein Lauffeuer durch die Medien.
Schwester Benedikta war in der 600 Jahre alten Geschichte der Verenaschlucht die zweite Frau in der Einsiedlerei. Ihre Vorgängerin verliess den Ort nach rund fünf Jahren aus gesundheitlichen Gründen. Bereits ihr war der Rummel zu viel geworden. Welch ein Kontrast: Der Einsiedler zuvor hatte ein Vierteljahrhundert in der Schlucht gewirkt.