Glace war früher im Süden nicht immer erhältlich, der provenzalische Eiskaffee kommt deshalb ohne aus. Kalter Kaffee und Mandelmilch-Sirup, geht das? Es schmeckt weit besser als erwartet.
Eine Nervensäge und jede Menge gute Laune braucht es, um aus einem normalen Espresso einen provenzalischen Eiskaffee herzustellen. Die kalte Köstlichkeit ist eine Spezialität des französischen Südens, dachte ich jedenfalls.
Unser Stamm-Feriengast, Jürg vom Klosterberg, seines Zeichens Gastronom und Gastgeber (die zweite Bezeichnung mag er lieber), hat mich eines Besseren belehrt. Den Eiskaffee mit Mandelmilch-Sirup gibt es unter anderem auch in Spanien, ist also weniger ein echt provenzalisches, sondern mehr ein altbekanntes und typisch südländisches Sommergetränk.
So wie früher
Die Erinnerungen, die wir aus unserer Kindheit und frühen Jugend an besonders gelungene Essen haben, bleiben in unserem Unterbewusstsein verankert. Und nicht nur das, wir suchen diese Erfahrungen als Erwachsene immer wieder aufs Neue. Dies behaupten Ernährungswissenschaftler und es erklärt, weshalb die Gastronomie beispielsweise erfolgreich mit «Grossmutters Küche» wirbt. In Frankreich ist die Bezeichnung «à l’ancienne», also so, wie man ein Gericht einst zubereitete, auf vielen Speisekarten zu finden.
Eine Kundin des Tea-Rooms in Uzès, wo ich gelegentlich aushelfe, verlangte kürzlich einen Eiskaffee. Wir verfügen über sehr guten Kaffee, aber nicht über Glacé, das brachte mich kurz in Erklärungsnot. Meine Kollegin überraschte mich mit der Antwort, es sei überhaupt kein Problem, sie wisse wie man Eiskaffee macht. Er sei allerdings «à l’ancienne». Die Kundin nickte erwartungsfroh. Es folgte eine kleine Vorführung für alle Anwesenden:
Café glacé à l’ancienne
In ein Glas füllt man einen halben Zentimeter Mandelmilch-Sirup, «Sirop d’Orgeat». Dann nehme man ein sauberes Küchentuch und lege ein paar Eiswürfel hinein. Das Tuch über den Eiswürfeln fest zusammendrehen und an mindestens eine unangenehme Sache oder Person denken. In unserem Fall war dies zu gleichen Teilen ein gewisser Paul, ein Gast mit nervtötenden Sonderwünschen, die französische Administration im Allgemeinen und die Steuerverwaltung im Besonderen. Dann schlägt man das Tuch mit den eingepackten Eiswürfeln mit Schwung mehrmals an die Wand. Das zerkleinerte Eis kommt in das Glas mit dem Sirup. Man könnte natürlich von Anfang an crushed ice verwenden, ist aber weit weniger lustig. Einen frisch zubereiteten Espresso darübergiesssen – fertig.