Der Streit zwischen Deutschland und Russland über sogenannte Beutekunst aus dem Zweiten Weltkrieg ist beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel in St. Petersburg fast in einen Eklat gemündet. Ihr eigentlich abgesagter Auftritt mit Wladimir Putin kommt nun trotzdem zustande.
Ein «direktes Gespräch» mit Putin habe dazu geführt, dass sie die zuvor verkündete Absage des gemeinsamen Besuchs einer Beutekunst-Ausstellung in St. Petersburg revidiert habe, sagte Merkel an einer gemeinsamen Medienkonferenz mit Putin am Freitag in der russischen Stadt. «Es ist eine wichtige Ausstellung», sagte Merkel.
Putin nannte das Thema Beutekunst «eine sehr heikle Frage für die Gesellschaften beider Länder. Wir müssen nach Lösungen suchen, nicht das Thema aufblasen. Wir dürfen nicht gegeneinander aufrechnen, sondern sollten den Weg der Kunstexperten gehen».
Zuvor hatte es von deutscher Seite geheissen, Russland habe den Teil der Grussworte von Merkel und Putin zur Eröffnung der Ausstellung abgesagt. Dies liess der Sprecher der deutschen Regierung, Steffen Seibert am Freitag vor dem Abflug in Berlin verlauten.
Merkel hätte in ihrem Grusswort die Rückgabe von Beutekunst gefordert, hiess es aus Delegationskreisen. Die deutschen Forderungen an Russland, von den Sowjetsoldaten verschleppte Kulturgüter zurückzugeben, belasten seit Jahren das Verhältnis zwischen Berlin und Moskau.
Rückgabe für Moskau kein Thema
Unlängst betonte der russische Kulturminister Wladimir Medinski, dass die Schätze mit dem Blut sowjetischer Soldaten bezahlt worden seien. Russland sei nicht einmal bereit, auch nur über den Status der Güter zu reden.
Russland vermutet vor allem in deutschen Privatsammlungen viele Kunstschätze, die von Nazis aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion verschleppt worden waren. Als verschollen gilt zum Beispiel das berühmte Bernsteinzimmer im Katharinenpalast von Zarskoje Selo bei St. Petersburg. Eine Rekonstruktion wurde 2003 vom damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder und dem – auch dann schon – russischen Präsidenten Putin der Öffentlichkeit übergeben.
In der Ausstellung in St. Petersburg wird spektakuläre Beutekunst wie der Goldschatz von Eberswalde gezeigt, auch die Troja-Funde von Heinrich Schliemann sind ausgestellt. Sowjetsoldaten brachten die wertvollen Gegenstände mit Hunderttausenden anderen nach dem Zweiten Weltkrieg nach Moskau.
Merkel und Putin trafen sich auch ohne Beutekunst-Ausstellung, nämlich auf dem internationalen Wirtschaftsforum in St. Petersburg. Russland wirbt bei seinem wichtigsten Wirtschaftstermin des Jahres traditionell um Investoren für seine noch weitgehend aus Sowjetzeiten stammende rückständige Industrie. Begleitet wird Merkel von einer Wirtschaftsdelegation.