Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus (EKR) ruft die Schweizer Medien dazu auf, über Roma und Jenische differenzierter zu berichten. Die Kommission stützt sich dabei auf eine Studie der Universität Zürich.
Kriminalität, Bettelei oder Sozialhilfemissbrauch: Wenn Medien über Roma berichten, thematisieren sie in 80 Prozent der Fälle auffälliges und kriminelles Verhalten, jeder zweite Beitrag enthält pauschalisierende Aussagen. Dennoch diskriminiert nur jeder achte Beitrag die Roma. So lauten die Hauptbefunde der Studie.
Allerdings ist die Aussagekraft der Studie beschränkt, da sich nur schwer nachvollziehen lässt, wann ein Artikel als pauschalisierend gilt. In der Studie finden sich weder konkrete Beispiele noch Angaben, nach welchen Kriterien die Berichte untersucht wurden.
Dies zeigte sich am Donnerstag auch bei der Präsentation der Studie. Von Medienvertretern an der Pressekonferenz darauf angesprochen, antwortete Studienautor Patrik Ettinger ausweichend und führte Beispiele («Alle Roma sind kriminell») an, die in der Tendenz die Berichterstattung der Medien selbst pauschalisierten.
Komplexe Probleme «ethnisiert»
Dass Minderheiten in der medialen Öffentlichkeit diskriminiert würden, sei natürlich nicht neu, befand EKR-Präsidentin Martine Brunschwig Graf. «Die gefundenen Muster gelten nicht nur für die Roma. Sie lassen sich auf andere Gruppen übertragen.»
Die EKR-Präsidentin warnte davor, in die Vereinfachungsfalle zu tappen, indem komplexe soziale Probleme «ethnisiert» würden. Die Empfehlung an die Medien: Inhalte unter verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten.
Keine Realitäten verleugnen
Dabei machte Brunschwig Graf deutlich, dass die Medien in keiner Weise Realitäten verleugnen sollten. Es gehe nicht darum, Probleme zwischen der Mehrheitsgesellschaft und Minderheiten unter den Teppich zu kehren. «Die Frage lautet aber, wie man darüber berichtet.» Hierbei stünden die Journalisten in der Verantwortung.
Als Beleg erachtet die frühere Genfer FDP-Nationalrätin den Umstand, dass über Roma im Ausland hierzulande anders berichtet werde.«Der Fokus liegt stärker auf der Diskriminierung.» In der Schweiz dagegen konzentriere sich die Berichterstattung zu sehr auf Kriminalität.
Während in den Medien der Schweiz lange Zeit nur sporadisch über Roma berichtet worden sei, habe die Berichterstattung seit Ende 2007 kontinuierlich zugenommen, heisst es in der Studie. Wird über Roma berichtet, geht es vor allem um Einzelschicksale und Konflikte.
Als treibende Kraft erachtet die Studie eine von einzelnen Artikeln angestossene Berichterstattung. Zum Beispiel die Diskussion über das Bild eines Roma-Buben mit Pistole im Jahr 2012 ging auf ein Titelbild der Wochenzeitung «Weltwoche» zurück.
Medientyp entscheidend
Der Grad an pauschalisierenden Aussagen hängt dabei aber auch stark vom Medientyp ab. Während Boulevardzeitungen und Sonntagszeitungen in 65 respektive 68 Prozent ihrer Artikel davon Gebrauch machten, liege der Wert bei Abonnementszeitungen (48 Prozent) und Gratiszeitungen (43 Prozent) tiefer, sagte Ettinger.
Roma selber kommen laut der Erhebung eher selten zu Wort. Ihr Anteil beträgt 13 Prozent aller Akteure, die in der Berichterstattung vorkommen. Dagegen sind besonders Polizei und Mitglieder von Gerichtsbehördenmedial stark vertreten. Die Roma könnten meistens nur auf Anschuldigungen reagieren und sich nicht aktiv in die Berichterstattung einbringen, erklärte Ettinger.
Das Forschungsinstitut Öffentlichkeit und Gesellschaft (fög) hat die Berichterstattung über Roma und Jenische in ausgewählten Medien von 2005 bis 2012 untersucht. Untersucht wurden 13 Printmedien und vier Sendegefässe des öffentlichen Fernsehens aus allen Landesteilen. Die EKR hatte einen Teil der Resultate bereits im vergangenen Dezember in ihrem Bulletin veröffentlicht.