El Club

Aus Chile kommt ein kompromissloser Blick auf die religiösen Verfehlungen. «El Club» denkt Dinge zu Ende. Schaffen die Religionen mehr Probleme, als sie je lösen können? Ein Tier wird dressiert Am Anfang wird ein Hund trainiert. Es ist ein Rasse-Windhund, der für Rennen scharf gemacht wird. Er rennt am Sandstrand eines verlorenen Nestes in Chile […]

Aus Chile kommt ein kompromissloser Blick auf die religiösen Verfehlungen. «El Club» denkt Dinge zu Ende. Schaffen die Religionen mehr Probleme, als sie je lösen können?

Ein Tier wird dressiert

Am Anfang wird ein Hund trainiert. Es ist ein Rasse-Windhund, der für Rennen scharf gemacht wird. Er rennt am Sandstrand eines verlorenen Nestes in Chile im Kreis und jagt nach dem Fellhasen, mit dem er gelockt wird.

Das Bild wird lange gezeigt und kurz, nachdem wir bereits über die Bedeutung der Länge des Hundebildes, seiner Jagd im Kreis, oder gar seinen Köder nachzudenken beginnen, lernen wir auch die anderen Mitglieder des «Clubs» kennen:
Fünf Bewohner eines Altersheimes haben auf den Hund gesetzt und – gewinnen. Das Geld, sagen sie, brauchen sie für etwas, was sie vieldeutig «verschiedene Ausgaben» nennen.

Exerzitien der sexuellen Macht

Nun hat uns das Tun des «Clubs» bereits gepackt, und die erste Ebene des Films ist etabliert. Wir möchten nun gern mehr über den amüsanten Altherrenclub und sein Hobby erfahren, und auch, was die Damenbegleitung dabei für eine Rolle spielt …

Doch dann wird die zweite Ebene des Films eröffnet. Als ein neuer Priester in das Heim gebracht wird, werden die Regeln im Heim plötzlich neu ausgelegt.

Die Herren sind Insassen eines geschlossenen Heimes und Priester im Unruhestand. Sie sind des Amtes enthoben. Sie leben zur christlichen Busse, zur Einkehr, zur Besserung. Die Hundezucht ist ihnen verboten, wie auch der Alkohol.

Jetzt erhält ihr Tun einen neuen Charme. Die Hundezucht ist illegal. Ihre Wetten verstossen ebenfalls gegen Gottes Gesetz. Die Priester sind gezwungen, zu flunkern, und eben möchten wir uns wieder auf ihre Seite schlagen, und uns freuen, dass eben auch Gottesdiener ihre verbotenen Hobbies haben –

Gottes Gesetz in Menschenhand gelegt

Da wird die dritte Ebene des Films eröffnet. Der Dorfbettler wirft dem neuangekommen Priester einen sexuellen Übergriff vor, brüllt vor  dem Haus seine Anklage, so laut, dass bald das ganze Dorf davon wissen wird, wenn man ihn nicht mundtot machen kann, was der Angeschuldigte auch auf seine Art besorgt. Ein schrecklicher Einzelfall?

Jetzt sind wir mitten in der vierten Ebene: Nicht nur der Neue, nein, alle anderen Priester auch, sind Kinderschänder, und eben deshalb aus dem dem Verkehr gezogen. «Verkehr» ? Nun scheint klar, was hier seit Jahren läuft. Soll nun hier dem Treiben ein Ende gesetzt werden?

Das Bistum schickt einen Abgeordneten. Er soll eine Selbsttötung aufklären und das Heim schliessen. Aber wie kann er fünf Täter, deren Taten von der Kirche nicht offiziell als Verbrechen taxiert werden, als Verbrecher bezeichnen, wenn die Kirche das Verbrechen nicht kennt?

Jesuitische Scholastik

Jetzt schlägt der «Club» auf seine Weise zurück. Ein Opfer wird gefunden – gleich zweifach. Erst wird ein Tier geopfert. Doch es ist nicht das Lamm. Es ist der Hund. Es sind auch die anderen Hunde, die sozu Hunden Gottes werden. Und, weil der Film auch strikt metaphorisch bleibt, wird jetzt der Verkünder der Wahrheit metaphorisch hingerichtet, aber nicht von den Priestern selbst, nein, esbleibt strikt biblisch: Die Dorfbewohner besorgen das, wie einstmals die Römer.

Nun wird aus dem Opfer ein wahrer Erlöser, der zum Schluss unter den Verbrechern aufgenommen wird und verweilen muss und mit ihnen zurückgeschickt wird – auf den Weg der Busse.

So löst die Religion keines der Probleme, das sie geschaffen hat

Es ist ein phantastisch andeutungsreicher Film, den Pablo Larraìn hier vorstellt. Grossartiges, südamerikanisches Kino, vor der schäbigen Kulisse eines Fischerkaffs, mit dem majestätischen Hintergrund des ewigen Meeres. Ein ausgefuchstes scholastisches Strategiespiel der christlichen Selbstverleugnung.

Mit fast jeder Episode werden biblische Metaphern übersetzt. Jede Minute Film fragt nach den verheerenden Folgen der männerbündlerischen Sexualfeinlichkeit der Religion, ja, vielleicht sogar sämtlicher Religionen. Immerhin führt der bischöfliche Verbrechensbekämpfer uns vor, was wir immer ahnten:

Die Kirche kennt keine Täter. Also schützt sie auch keine Opfer. Wenn innerhalb des christlichen Moralkodexes nicht vorkommen darf, was nicht sein darf, müssen eben andere Wege der Sühne für Verbrechen gefunden werden. Die Priester selber sind untereinander nicht sühnefähig.

Es sind die Dorfbewohner, die endlich die Verbrechen abtragen –  und sich am falschen Opfer rächen, und die Geschichte auf die letzte Ebene hieven, auf die eines Verbrechens der Gegenwart.

Was bleibt ist die Balance von Schuld und Sühne

Der Vertreter des Bistums wäscht hernach dem Opfer und Wahrheitsverkünder die Füsse. Die Verbrechen scheinen aufgeklärt. Die Sühne erreicht. Die Sünder dürfen bleiben – als lebenslängliche Opferpfleger.

Das Opfer wurde zum Täter und wird nun als Opfer gepflegt. Alle haben in diesem christlichen Spiel ihre Aufgabe erfüllt. Die Balance der Täter und der Opfer kann in Schweigen aufrechterhalten werden. Der «Club» hat ein neues Mitgleid.

«El Club« ist ein Fest der poetischen Metaper wie der religiösen Anspielung. Jesuitisches Handeln findet radikale Anwendung nach Schrift und Katechismus.
Die Verbrecher ereilt eine Strafe, die sie sich erst noch selber auferlegen müssen, und die eigentlich keine Strafe sein darf. Da Sexualverbrecher in der Kirche offiziell nicht verfolgt werden können, können sie offiziell auch nicht bestraft werden. Dennoch muss eine religiöse Strafe sein. Doch auch hinter der sanftesten religiösen Strafe lauert schon wieder die religiöse Extase der Kasteiung und Entsagung, die sie ins ins Gegenteil, die Extase, verkehren könnte ..

Die selbstbetrügerische Doppelmoral

«El Club» entlarvt blitzgescheit die sexualfeindliche, männliche Religionsausübung als doppelzüngig. Am Ende steht ein Sieg. Keiner der Beteiligten muss zugeben, dass die Religion ihren jahrhundertelangen Kampf verloren hat. Keine Täter werden zur Rechenschaft gezogen.

Es bleiben nur christliche Opfer ohne dazugehörige Täter. und endlich beschreiten wir die Metaebene der Aussage: Religion schafft mit ihren Praktiken weit mehr Täter als sie Opfer erlöst. Oder noch allgemeiner: Religionen schaffen mit ihrer Sexualfindlichkeit genau jene Probleme, die sie nie zu lösen vermögen. Letztlich ist «El Club» die kompromisslose Abrechnung mit jeder religiösen Praxis, die die Sexualität unterdrückt.

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