Elena

Darf ein Mensch einen anderen umbringen aus sozialer Not? Oder einfach nur aus Neugier? Macht das sein Verbrechen verständlicher, wenn es aus Not geschah? Oder bestialischer, wenn nur die Berechnung den Täter  trieb? F.W.Dostojewski liess fünfzig Jahre vor der russischen Revolution in «Verbrechen und Strafe» den blitzgescheiten Raskolnikov eine unschuldige alte Frau umbringen und schrieb […]

Darf ein Mensch einen anderen umbringen aus sozialer Not? Oder einfach nur aus Neugier? Macht das sein Verbrechen verständlicher, wenn es aus Not geschah? Oder bestialischer, wenn nur die Berechnung den Täter  trieb? F.W.Dostojewski liess fünfzig Jahre vor der russischen Revolution in «Verbrechen und Strafe» den blitzgescheiten Raskolnikov eine unschuldige alte Frau umbringen und schrieb gleichzeitig ein Pamphlet gegen die schreienden sozialen Ungerechtigkeiten seiner Zeit. Zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch des russischen Sowietstaates legt ein anderer Russe den Finger in die Wunde, die die soziale Ungerechtigkeit in die heutige russische Gesellschaft reisst.

 

Nadeschna Markina als Elena

Nadeschna Markina als Elena

Darf ein Mensch einen anderen umbringen aus sozialer Not? Oder einfach nur aus Neugier? Macht das sein Verbrechen verständlicher, wenn es aus Not geschah? Oder bestialischer, wenn nur die Berechnung den Täter  trieb? F.W.Dostojewski liess fünfzig Jahre vor der russischen Revolution in «Verbrechen und Strafe» den blitzgescheiten Raskolnikov eine unschuldige alte Frau umbringen und schrieb gleichzeitig ein Pamphlet gegen die schreienden sozialen Ungerechtigkeiten seiner Zeit. Zwanzig Jahre nach dem Zusammenbruch des russischen Sowietstaates legt ein anderer Russe den Finger in die Wunde, die die soziale Ungerechtigkeit in die heutige russische Gesellschaft reisst.

Elena, grossartig gespielt von Nadeschna Markina, ist mehr Pflegerin als die Gattin des wohlhabenden Vladimir. Sie kocht für ihn, sie putzt für ihn, sie legt sich zu ihm  – wenn er ruft – auch ins Bett. Für ihren Sohn aus erster Ehe fehlen ihr hingegen die Mittel. Sie unterstützt ihn zwar, so gut es geht, aber ihr Enkel, das ist abzusehen, wird im sozialen Gettho verelenden, während Elena selber im Wohlstand einsam verkommt.

Während der reiche Vladimir seine Tochter aus erster Ehe grosszügig unterstützt, gestattet er Elena ihrem Sohn aus erster Ehe nicht mehr zukommen zu lassen, als ihre eigene Rente. Dieses Geld bringt sie dann auch persönlich hinaus zu dessen neuer Familie. Lang dauert die Reise aus dem gut überwachten Viertel der Wohlhabenden in Moskau hinaus in den Vorort: In Vorortzügen, an Stacheldrahtzäunen vorbei, hinter Kühltürme. Dort vegetieren ihr Sohn und seine Familie, die sich mit den Geschenken ihrer Grossmutter über Wasser hält.

In dem mehrfach preisgekrönten «Elena» stellt Andrej Zvyagintsev in fast stehenden Bildern den Wohlstand gegen die Armut. Er lässt die tiefgläubige Elena lange, mit offenen Augen all die Ungerechtigkeiten sehen und aushalten, bis sie selber einen Entschluss fasst, den sie vor Gott nicht haben darf. Die Ungerechtigkeiten, die sie täglich lebt, hofft sie damit zwar zu beenden. Aber macht das ihr unmoralisches Vorhaben gerechter? Es liegt ein zutiefst russischer Seufzer über der Frage Andrej Zvyagintsevs, wie lange eine Ungerechtigkeit schreien muss, bis Gott sie erhört. Seine faszinierend präzisen Bilder begleiten uns, wie Dostojewskis Erzählkunst es einst tat, in einen faszinierenden Abgrund. Mit «Elena» kann der Film wieder einmal mit der Literatur um den Hohepriestersitz der Thalia konkurrieren.

 

 

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