«Empört euch!»-Autor Stéphane Hessel mit 95 Jahren gestorben

Er war Widerstandskämpfer gegen die Nazis, KZ-Überlebender, Diplomat und Autor der berühmten Streitschrift «Empört euch!» gegen die Auswüchse des Finanzkapitalismus: Im Alter von 95 Jahren ist der deutsch-französische Ausnahme-Intellektuelle Stéphane Hessel nun gestorben.

Stéphane Hessel in einer Aufnahme von 2012 (Archivbild) (Bild: sda)

Er war Widerstandskämpfer gegen die Nazis, KZ-Überlebender, Diplomat und Autor der berühmten Streitschrift «Empört euch!» gegen die Auswüchse des Finanzkapitalismus: Im Alter von 95 Jahren ist der deutsch-französische Ausnahme-Intellektuelle Stéphane Hessel nun gestorben.

Das teilte seine Ehefrau Christiane Hessel-Chabry am Mittwoch in Paris mit. Politiker aller Parteien würdigten das Lebenswerk des gebürtigen Berliners.

Hessel hatte mit seinem im Oktober 2010 erschienenen kleinen Essay «Empört euch!», in dem er die kapitalistische Finanzwirtschaft kritisierte und zum Protest aufrief, weltweit Aufsehen erregt.

Seine Streitschrift inspirierte in vielen Ländern die Protestbewegung in der Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise: in den USA die Anhänger der Bewegung «Occupy Wall Street», in Ländern wie Spanien oder Griechenland die Demonstrationen der «Empörten». In 35 Ländern wurden mehr als 4,5 Millionen Exemplare der Schrift verkauft.

Dass es Hessel gesundheitlich nicht gut ging, vermutete man spätestens seit vergangenem November: Damals musste er einen Auftritt auf der BuchBasel absagen. Er hätte dort die internationale Buchvernissage seines neuen Werks «An die Empörten dieser Erde! Vom Protest zum Handeln» feiern wollen.

Mit acht Jahren nach Frankreich

Bis ins hohe Alter setzte sich Hessel für die Menschenrechte ein, für Migranten und Illegale sowie für den Frieden im Nahen Osten. Der 1917 in Berlin geborene Sohn aus einer jüdischen Familie, die später zum Protestantismus konvertierte, war im Alter von acht Jahren nach Frankreich gekommen und hatte 1937 die französische Staatsbürgerschaft angenommen.

Er kämpfte im französischen Widerstand gegen die Nazis, wurde gefangen und 1944 in das KZ-Buchenwald deportiert. Er konnte flüchten und schloss sich US-Truppen an.

Hessels Mutter, Helen Grund, stand für den bekannten Film „Jules und Jim“ des französischen Regisseurs François Truffaut Modell. Es geht darin um die Geschichte einer Frau, die von zwei Freunden geliebt wird. Sein Vater übersetzte zusammen mit dem Philosophen Walter Benjamin französische Autoren ins Deutsche.

Mitarbeit an Menschenrechtscharta

Nach dem Mai 1945 startete Hessel eine Karriere als Diplomat bei den Vereinten Nationen. Er war an der Ausarbeitung der UNO-Menschenrechtscharta beteiligt und wurde danach UNO-Botschafter in Genf. Später zog er sich den Zorn jüdischer Organisationen wegen seiner Unterstützung der Palästinenser zu.

Der französische Präsident François Mitterrand machte ihn 1981 zum Ehren-Diplomaten Frankreichs. Im Jahr 2006 wurde er in die französische Ehrenlegion aufgenommen. Bis kurz vor seinem Tod mischte er noch politisch mit, unterstützte im Wahlkampf 2012 den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten François Hollande.

«Er wird uns sehr fehlen»

Der Präsident des Europaparlamentes, Martin Schulz, würdigte Hessel als «grossen Europäer». «Er wird uns sehr fehlen», schrieb er über den Internet-Kurzbotschaftendienst Twitter. Er habe sich durch «einen Kämpfer- und Freiheitsgeist» ausgezeichnet.

Die Lebensgefährtin von Präsident Hollande, Valérie Trierweiler, würdigte ebenfalls per Twitter das «aussergewöhnliche Leben» Hessels. Vertreter von Grünen und Zentrum in Frankreich dankten dem überzeugten Europäer für seinen lebenslangen Einsatz.

Nächster Artikel