Boykott- und Kündigungsdrohungen: Das US-Magazin «Rolling Stone» hat in seiner aktuellen Ausgabe den mutmasslichen Boston-Attentäter Dschochar Zarnajew auf den Titel gehoben und sich damit viel Kritik eingehandelt.
Der Zeitschrift wurde am Mittwoch vorgeworfen, den wegen vierfachen Mordes angeklagten jungen Mann wie einen Rockstar zu verherrlichen. Das weichgezeichnete Titelfoto zeigt den 19-jährigen Zarnajew, wie er mit dunklen Locken, Kinnbart und einem melancholischen Gesichtsausdruck direkt in die Kamera blickt.
Darunter steht die Schlagzeile: «Der Bomber. Wie ein beliebter, vielversprechender Student von seiner Familie im Stich gelassen wurde, dem radikalen Islam verfiel und zum Monster wurde.» Für den Artikel hat «Rolling Stone» mit Zarnajews Kindheits- und Jugendfreunden, Lehrern und anderen Wegbegleitern gesprochen.
Der Gouverneur von Massachusetts, Deval Patrick, nannte das Titelbild US-Medien zufolge «geschmacklos». Bostons Bürgermeister Thomas Menino habe von einer Schande gesprochen und angekündigt, sich bei den «Rolling Stone»-Verlegern zu beschweren. Die Zeitung «USA Today» berichtete in ihrer Onlineausgabe, mehrere Geschäfte in der Gegend der Ostküstenmetropole wollten die am Freitag erscheinende aktuelle Ausgabe der Zeitschrift boykottieren.
Die Empörung bahnte sich vor allem im Internet ihren Weg. «Warum wird diesem Kerl der Titel von ‚Rolling Stone‘ gegeben?», fragte Nutzer Shawn Anthony auf der Facebook-Seite des Magazins. «Macht keine Märtyrer aus diesen Leuten.» Andere drohten mit der Kündigung ihrer Abonnements. Nutzer Tom Guerra schrieb, «Rolling Stone» hätte besser dem bei dem Anschlag getöteten achtjährigen Knaben das Titelbild widmen sollen.
Dschochar Zarnajew soll gemeinsam mit seinem älteren Bruder Tamerlan am 15. April zwei Bomben im Zieleinlauf des Bostoner Marathons gelegt haben. Bei dem Anschlag wurden drei Menschen getötet und mehr als 260 weitere verletzt. Ausserdem sollen die aus einer tschetschenischen Familie stammenden Brüder einen Polizisten erschossen haben. Die Ermittler gehen von einem islamistischen Hintergrund der Tat aus.
Tamerlan Zarnajew war auf der Flucht ums Leben gekommen. Dschochar Zarnajew erschien vergangene Woche erstmals vor Gericht und erklärte sich für nicht schuldig. Ein Prozesstermin steht noch nicht fest. Bei einer Verurteilung droht dem 19-Jährigen die Todesstrafe.