Mit dem tragischen Lawinenunglück am Grossen Sankt Bernhard mit vier Todesopfern vom Samstag sind in der Schweiz bereits 25 Menschen von Lawinen in den Tod gerissen worden. Das sind schon im Februar mehr als die durchschnittliche Zahl von 22 Lawinentoten.
Beim Aufstieg zum Hospiz auf dem Grossen Sankt Bernhard kam es um 13 Uhr bei der «Combe des Morts» zum Unglück: Eine Lawine riss fünf italienische Tourengänger in die Tiefe. Einer wurde leicht verletzt, vier weitere erlagen ihren Verletzungen später im Spital. Ein weiteres Mitglied der sechsköpfigen Gruppe wurde nicht von der Lawine erfasst.
Die Leichen der verunglückten vier Alpinisten werden noch im Verlauf der Woche nach Italien zurückgeführt, hiess es am Montag auf Anfrage bei der Kantonspolizei Wallis.
Der Unfall am Grossen Sankt Bernhard ist das zweitschlimmste Lawinenunglück in diesem Winter seit jenem am Vilan im Bündner Prättigau, als Ende Januar acht Personen ganz verschüttet wurden und fünf ums Leben kamen.
Seit dem ersten tödlichen Unglück in dieser Saison vom 20. November kamen bereits 25 Personen ums Leben, was dem Durchschnitt in der Schweiz seit 1936 entspricht. In den vergangenen 20 Jahren sank die Zahl der Lawinentoten in der Schweiz jedoch auf 22 pro Jahr.
In der Saison 2014/2015 steht der Zähler Ende Februar bereits bei 25 Lawinenopfern. Eine mögliche Erklärung dafür könnte die Kombination aus kritischer Lawinensituation zur Ferienzeit, wenn sich viele Personen abseits der Piste bewegten, gewesen sein, sagt dazu Frank Techel vom WSL-Institut für Schnee- und Lawinenforschung SLF in Davos.
Eine detaillierte Auswertung der Lawinenunfälle könne aber erst nach dem Winter gemacht werden, wenn alle verfügbaren Informationen vorhanden seien.
Keine Zunahme grosser Unfälle
Sicher sei einzig, dass man über Durchschnitt sei, sagte der Experte, der für das SLF Lawinenbulletins erstellt. Grosse Unfälle, bei denen viele Personen mitgerissen würden, gebe es leider jeden Winter. Man könne deshalb nicht von einer Zunahme sprechen, sagt Techel.
Zudem haben heute viele Berggänger neben dem Lawinenverschüttetensuchgerät (LVS) auch Airbags in Rucksäcken dabei. Ob sich diese Leute wegen der zusätzlichen Ausrüstung in falscher Sicherheit wiegen, sei schwierig zu messen, sagte Frank Techel.
Die elementare Notfallausrüstung von LVS, Schaufel und Sonde ist für Freerider und Skitourengänger unerlässlich, wie das SLF betont. Unfälle bei denen die Opfer kein LVS auf sich trugen, seien selten geworden. Da komme wohl auch die Präventionsarbeit an, sagte der SLF-Experte.
Mit der Smartphone-App «Whiterisk», dem Lawinenbulletin im Internet und Hinweisen im Radio und Fernsehen wird heute so viel informiert wie noch nie. Insbesondere bei kritischen Situationen wird noch zusätzliche Medienarbeit geleistet, um möglichst viele Leute zu erreichen.
Ausrüstung allein genügt nicht
Die zur Verfügung stehende technische Ausrüstung gebe ein gewisses Sicherheitsgefühl, sagt der Walliser Bergführer Pascal Gaspoz, der bei der Rettungsaktion vom Samstag am Grossen Sankt Bernhard beteiligt war.
Diese Hilfsmittel richtig einzusetzen brauche jedoch viel Übung. Man müsse zugleich viel Zeit investieren, um Kenntnisse über Schneeaufbau- und Verhältnisse sowie die Region zu lernen. Um grosse Fehler zu vermeiden, rate er dennoch, die ersten Touren mit einem Bergführer zu machen.