Das Baselbiet spart rigoros bei der Kultur – damit degradiere man das kulturelle Schaffen zu «Dekoration und Unterhaltung ohne schützenswerte gesellschaftliche Relevanz», meint der Autor Thomas Brunnschweiler. Ein Gast-Kommentar.
Der 17. Dezember wird als schwarzer Tag in die Annalen des Kantons Basel-Landschaft eingehen. Mit dem Sparpaket im Kulturbereich hat der Landrat mit minimalen Einsparungen einen maximalen Schaden angerichtet. Man stelle sich vor, ein Spital würde vom einen Tag zum anderen beim Ankauf von Sauerstoffflaschen und Blutkonserven rigoros sparen. Ein Aufschrei der Empörung ginge durch die Bevölkerung. Eventualvorsätzliche Tötung würde man der Spitalleitung vorwerfen. Zu Recht!
Lebenswichtige Dinge dürfen nicht weggespart werden. Anders – so scheint es im Kanton Basel-Landschaft – bei der Kultur. Sie ist offensichtlich nicht lebensnotwendig. Sie scheint – allen netten Lippenbekenntnissen von Monica Gschwind zum Trotz – ein «Nice to have» zu sein. Das Abbauprogramm von minus 390’000 Franken in der Kunst- und Kulturförderung im Jahre 2016, das 2017 noch verschärft werden soll, hat unter uns Kunst-, Literatur-, Theater- und Musikschaffenden für einen Aufschrei der Empörung gesorgt.
Die Doppelzüngigkeit der Sparstift-Ritter
Die Schwächung der Kultur an sich ist schlimm genug, schlimmer aber noch ist die Tatsache, dass solche Massnahmen bei der Bevölkerung nicht schlecht ankommen. Für viele ist moderne Kunst «Geschmiere», sind neue Theaterstücke «unverständlicher Luxus», sind Video-Installationen «dummes Zeug» und moderne Kompositionen «Katzenmusik». Der radikale Kulturabbau ist populistisch abgefedert und rhetorisch geschickt verbrämt. Die Doppelzüngigkeit der Sparstift-Ritter ist der eigentliche Skandal. Und der beschlossene Kulturabbau zeigt, was für die Regierung und den bürgerlich geprägten Landrat offensichtlich Kultur ist: Dekoration und Unterhaltung ohne schützenswerte gesellschaftliche Relevanz.
«Die Schwächung der Kultur an sich ist schlimm genug, schlimmer aber noch ist die Tatsache, dass solche Massnahmen bei der Bevölkerung nicht schlecht ankommen.»
Künstler, Literaten und Musiker sind jedoch mehr als Zuträger für den ästhetischen Genuss des Einzelnen. Sie tragen zum ökonomischen Wachstum bei, fördern den gesellschaftlichen Zusammenhalt und die Identität eines Kantons. Sie sind darüber hinaus Seismografen gesellschaftlicher Entwicklungen. Um funktionieren zu können, braucht jeder Seismograf einen Spielraum für seinen Mechanismus. So braucht auch Kultur einen finanziellen Spielraum, um ihre Funktion zu erfüllen.
Kulturschaffende sind Warner, Mahner, Sand im Getriebe – wie Dürrenmatt, der vor 25 Jahren starb. Und eine Demokratie, die diesen Namen verdient, hat ihnen Geld zur Verfügung zu stellen. Von totalitären Staaten wissen wir nur zu gut, wie es herauskommt, wenn der Staat die Kultur reglementiert. Nichts gegen gute «Volkskultur», aber sie ins Feld zu führen, um bei etablierten Kultureinrichtungen Abstriche zu machen, ist perfide, weil Angebote der «Volkskultur» meist gut verankerte Selbstläufer sind. In wenigen Fällen geht von ihnen ein emanzipatorischer Impuls aus. Hingegen werden avantgardistische, experimentelle Kulturbeiträge oft als Störung und als Luxus angesehen. Kein Wunder, wird genau dort gespart. Das angedachte Kulturkonzept von Monica Gschwind hat durchaus System.
Geistloses, knallhartes Nützlichkeitsdenken
In bürgerlichen Kreisen werden stets abendländische Werte angemahnt, zu denen auch die Errungenschaften der Aufklärungen gehören: Meinungs-, Rede- und Religionsfreiheit. Gerade Kulturschaffende setzen sich mit diesen Werten auseinander, klopfen sie auf ihren Gehalt ab und setzen sie in Kunst, Literatur, Theater oder Tanz um.
Wenn man der Kultur sukzessive den Geldhahn abdreht, Kunst zum Hobby degradiert und noch behauptet, Steuererhöhungen seien politisch nicht durchsetzbar, entlarvt man die Hohlheit seines Bekenntnisses zu den vielbeschworenen Werten selbst. Sie sind dann nur noch Potemkinsche Dörfer, Paravents mit aufgemalten Floskeln, hinter denen sich ein geistloses, knallhartes Nützlichkeitsdenken verbirgt. Mit Verlaub und frei nach Schiller: «Der Sparstift bei der Kultur ersetzt die Abrissbirne.»