Das neue Parlament ist ökologischer. Mit den neuen Mehrheiten sollen die Projekte für die Energiewende umgesetzt werden.
Eric Nussbaumer hat gerechnet und das Resultat bereitet ihm Freude. Zehn zusätzliche Stimmen hat der Baselbieter SP-Nationalrat gezählt, zehn neue Stimmen im Parlament, die den Grundsatzentscheid zum Atomausstieg mit all seinen Konsequenzen stützen sollten. «Jetzt müssen wir die konkreten Massnahmen so gestalten, dass wir unsere Mehrheit ausspielen können.» Nussbaumer beginnt aufzuzählen. Die Verteuerung von Atomstrom, das Entlastungspaket für stromintensive Unternehmen, die Anpassung der kostendeckenden Einspeisevergütung, das CO2-Gesetz – die kommende Legislatur ist vollgepackt mit Energiethemen, die mit den neuen Kräften in der Mitte durchgeboxt werden sollen. Vorwärtsmachen müsse man jetzt, aber die Sache nicht übersteuern, sagt Nussbaumer und klingt etwas aufgeregt. Der Wahlsonntag war für ihn der vorläufige Höhepunkt einer ungewöhnlichen Entwicklung. Innerhalb eines halben Jahres wandelte er sich vom SP-Hinterbänkler zu einem der wichtigsten Energiepolitiker der Schweiz. Am Sonntag machte er das beste Resultat aller Baselbieter Nationalräte, im Januar wird er Präsident der Umweltkommission. «Die Konstellation könnte nicht besser sein.»
Neue Mehrheiten
Das sagt auch Nick Beglinger, Präsident des im letzten Jahr ähnlich wundersam aufgestiegenen Wirtschaftsverbands Swisscleantech. Innerhalb kürzester Zeit wurde der Verband erster Ansprechpartner für Energiefragen. Auch Beglinger hat einen guten Sonntag erlebt. Jene Kräfte, die den Atomausstieg unterstützten, hätten zugelegt. «Es wird einfacher, Mehrheiten zu bilden.» Bei Economiesuisse wird das Wahlresultat etwas anders gelesen. Die stärkere Mitte bedeute, dass das Parlament «weniger ideologisch und eher mit bürgerlich-liberalen Werten» arbeiten werde, schreibt Dominique Reber, Mitglied der Geschäftsleitung, auf Anfrage. Er prophezeit eine «technologieoffene» Diskussion auf der Basis von Fakten.
Konkreter wollen sich die Verbände und die angefragten Stromproduzenten zur neuen politischen Ausgangslage nicht vernehmen lassen. Überhaupt nichts sagen möchten sie zu den Bundesratswahlen vom Dezember. Es war Eveline Widmer-Schlumpf (BDP), die mit ihrer Stimme den Ausschlag zum Atomausstieg gegegeben hatte. Mit der Stärkung der atomkritischen Kräfte im Parlament ist auch die Chance auf eine Wiederwahl von Widmer-Schlumpf gestiegen. Was die Stromkonzerne nur bedingt freuen kann.
Artikelgeschichte
Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 26/10/11