Energierwende braucht den Energiemix

Die Energiewende ist mehr als das Auswechseln von Grosskraftwerken des einen- mit einem anderen Typen: Es ist eine neue Mischung aus kleinen und grossen Energielieferanten zu planen, um insgesamt den Verbrauch von fossilen Energieträgern senken zu können. In der „Basler Zeitung“ erschien am 27. Dezember 2011 ein ausführliches Interview mit Dr. Almut Kirchner der Basler […]

Die Energiewende ist mehr als das Auswechseln von Grosskraftwerken des einen- mit einem anderen Typen: Es ist eine neue Mischung aus kleinen und grossen Energielieferanten zu planen, um insgesamt den Verbrauch von fossilen Energieträgern senken zu können.

In der „Basler Zeitung“ erschien am 27. Dezember 2011 ein ausführliches Interview mit Dr. Almut Kirchner der Basler Firma Prognos, leitende Wissenschaftlerin und Erstellerin der Schweizer Energieszenarien im Auftrag vom Bundesamt für Energie. Ihre Schlussfolgerungen dürften dem hohen Anspruch, der an vom Bund georderten Energieszenarien gestellt werden darf, nicht ganz genügen. Eher entsprechen sie bereits geäusserten Meinungen führender Energieanbieter zum nun angesagten Kernkraft-Ausstieg. Hier die Gründe und eine Skizze von Alternativen, wie sie sich heute anbieten.

Erstens steht im Interview eine Strom- anstatt eine Gesamtenergie-Perspektive im Vordergrund. Zwei Drittel des Energieverbrauches der Schweiz, Verkehr ausgenommen, ist Verbrennungswärme, überwiegend gewonnen aus den Fossilimporten Erdgas und Heizöl. Gross-Gaskraftwerke erhöhen den Fossilimport überproportional und tragen zur Ineffizienz bei der Nutzung von Verbrennungswärme bei. Weil diese Art der Stromerzeugung nahezu die Hälfte der Energie in Form von Abwärme und Netzverlusten ungenutzt in die Umwelt entlässt.

Zweitens wird von Liegenschaftsbesitzern erwartet, dass sie ihre Gebäude Wärmeisolieren und in komplexe solar- oder erdwärmegebundene Energiegewinnungsanlagen investieren. Dafür sind Fördermassnahmen vorgesehen. Doch weil diese erfahrungsgemäss die finanziellen Ressourcen sprengen, sollen das nun Gesetze und Vorschriften erzwingen. Das wird vehementen Widerstand der Liegenschaftsbesitzer herausfordern.

Drittens ist es in der dicht bevölkerten Schweiz schwierig, Standorte für Grosskraftwerke zu finden. Und ist eine starke Minderheit gegen ein Projekt, zum Beispiel aus Umweltgründen, kann Initiativrecht die Erlangung einer Baubewilligung erschweren.

Aus technischer und wirtschaftlicher Perspektive ist es kaum richtig, Wärme-Kraft-Koppelungsanlagen (WKK) als «tendenziell teuer und nicht beliebig regelbar» hinzustellen. Bereits erprobte Entwicklungen, zum Beispiel «Zuhause-Kraftwerke» von Volkswagen, in der Mehrzahl zum «Schwarmstrom» des deutschen Unternehmens Lichtblick AG zusammengeschaltet, beweisen das Gegenteil. Mehrere grössere, in Ausführung begriffene Projekte setzen auf Anergienetze, so die «Suurstoffi» Risch-Rotkreuz und die Wohnbaugenossenschaften Zürich mit dem Anergienetz Friesenheim. Seit Jahren werden sie an der ETH anwendungsnah erforscht. Sie können zusammen mit WKK industrielle Abwärme, Erd- und Solarwärme nutzen und überschüssige Energie für den Gebrauch im Winter speichern.

Diesbezüglich liegt Almut Kirchner, am 11. Januar im Congress Center auch Referentin, richtig: «Die Energiewende bedeutet einen Mix aus verschiedenen Energiequellen». Mit diesen Elementen an erneuerbaren Energien lässt sich ein Szenario für genügend Energie mit weniger Fossileinsatz errechnen, als mit Gross-Gaskraftwerken möglich ist. Weil bei der Stromerzeugung entstehende Wärme nicht in die Umwelt entlassen, sondern genutzt wird.

Trotz dieser Möglichkeiten ist die Gebäudesanierungs und Solarinstallations-Rate um «Faktor 10» zu tief, um rechtzeitig eine Energiewende herbeizuführen. Der Grund dafür liegt in der erwähnten, sich bisher nicht erfüllenden Annahme, Liegenschaftsbesitzer würden von sich aus ihre Gebäude Wärmeisolieren und in Solaranlage, Wärmespeicherung, eventuell auch Erdwärmegewinnung und WKK investieren. Das ist für einzelne Gebäude oft gar nicht möglich und fast immer mit exzessiv hohen Kosten verbunden.

Um effizient und kostenoptimal zu sein, sollte der Bau von Solaranlagen grossflächig auf Dächern der Industrie, auf Schulen, Spitälern oder Supermärkten und von grossen Erdwärmeanlagen an dafür idealen Orten erfolgen. Das setzt Gebäude-übergreifenden Wärmetransport voraus, im kleinen Massstab für Überbauungen, im grösseren für Quartiere, Strassenzüge, Dörfer.

Die lokalen Behörden sind gefordert, zu solchen Lösungen Hand zu bieten. Mit Konzepterstellung, Kosten- / Nutzenbetrachtungen, Einwohner-Dialog und erleichterten Bewilligungsverfahren. Es entsteht eine WIN-WIN Situation für Energieunternehmen, die vergleichbar zu Fernwärmenetzen Gesamtenergie anbieten können und für Liegenschaftsbesitzer, deren Investitionsbereitschaft nun vollständig der auch wertsteigernden Gebäude-Isolation zugute kommen kann.

Wie auch Interviewpartnerin Kirchner ausführt, bedeutet die Einleitung einer Energiewende gewaltige Anstrengungen. Doch anstatt wie bisher über Planungsziele für 2035 oder später nachzudenken, sollte jetzt geplant werden, was 2012, 2013 und 2014 als Pilotprojekte umgesetzt werden kann. Wir sind gespannt, was am 11. Januar 2012 am Expertengespräch zu hören sein wird.

Die Handelskammer beider Basel veranstaltet am 11. Januar 2012 «Energie und Umwelt im Gespräch» im Congress Center Basel. Anmelden kann sich jedermann. Partner sind EBM, EBL, IWB und Alpiq mit Referentinnen von Prognos und dem Gottlieb Duttweiler Instiut.

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