Energiewende – jetzt erst recht!

Die Energiesteuer-Initiative hätte die Energiewende aufs Abstellgleis geschickt. Nun kann sie auf dem richtigen Gleis weiterfahren. Dass es das richtige Gleis ist, sollten endlich auch bürgerliche Politiker einsehen. Die grünliberale Partei erfuhr am vergangenen Sonntag eine herbe Niederlage. Nur gerade 8 Prozent der Stimmbevölkerung sagten Ja zur Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» – ein gefundenes Fressen […]

Das Scheitern der grünliberalen Initiative bedeutet kein Stopp für die Energiewende.

Die Energiesteuer-Initiative hätte die Energiewende aufs Abstellgleis geschickt. Nun kann sie auf dem richtigen Gleis weiterfahren. Dass es das richtige Gleis ist, sollten endlich auch bürgerliche Politiker einsehen.

Die grünliberale Partei erfuhr am vergangenen Sonntag eine herbe Niederlage. Nur gerade 8 Prozent der Stimmbevölkerung sagten Ja zur Initiative «Energie- statt Mehrwertsteuer» – ein gefundenes Fressen für bürgerliche Politiker.

Die Nationalräte Christian Wasserfallen (FDP) und Albert Rösti (SVP) schlossen aus dem Abstimmungsresultat sofort, dass die Energiestrategie 2050 jetzt gebremst und unmittelbar dem Volk zur Abstimmung vorgelegt werden müsse. Das war etwa so überraschend wie das Amen in der Kirche. Denn diese Forderung wird von diesen beiden Atomkraftanhängern bei jeder möglichen und unmöglichen Gelegenheit vorgetragen. Sie ist nicht überraschend, aber verlogen. 

Denn erstens blenden Wasserfallen und Rösti bewusst aus, dass nicht nur Gegner, sondern auch die Mehrzahl der Energiewende-Befürworter diese Vorlage abgelehnt haben. Dazu zählen neben der SP die BDP, die CVP und offensichtlich auch viele Wählerinnen und Wähler der Grünen.

Im Speaker’s Corner publiziert die TagesWoche ausgewählte Texte und Bilder von Community-Mitgliedern. Vorschläge gerne an community@tageswoche.ch.

Diese Initiative war ein Wahlkampfinstrument der Grünliberalen. Aus Sicht der Energiewende war sie ein unnötiges Störmanöver, eine umweltökonomische Panne. Die Stimmenden haben verstanden, dass man den Staatshaushalt nicht von Atomstrom, Erdöl und Gas abhängig machen darf, wenn man sich von diesen Energieträgern befreien will.

Zweitens wissen auch Wasserfallen und Rösti, dass ein Stopp der Energiestrategie und eine Volksabstimmung über die Energiestrategie kein Problem löst. Sie suggerieren, dass die Schweiz nur auf neue Atomkraftwerke (AKW) setzen müsste und dann würde alles weitergehen wie bisher. Das ist falsch. Eine Strategie «Weiter wie bisher» gibt es nicht.

Kein Investor, der bei Trost ist, wird in der Schweiz ein AKW bauen.

Sogar Economiesuisse sagt heute klar, dass der Bau neuer Atomkraftwerke in der Schweiz keine Option mehr darstellt. Kein Investor, der bei Trost ist, wird in der Schweiz ein AKW bauen. Es lässt sich unmöglich refinanzieren. Das ist eine unverrückbare Tatsache.

Die Bestätigung, warum das so ist, lieferte England. Die Regierung von James Cameron bestellte AKWs, aber niemand wollte sie finanzieren. Erst im letzten Jahr, als die britische Regierung den Betreibern indexierte Einspeisevergütungen von 9,25 Pence/kWh über 35 Jahre garantierte, kam ein Vertrag zustande. Rechnet man die zugesicherte Teuerung dazu, ergibt das einen Mittelwert von 21 Rappen pro Kilowattstunde, und das 35 Jahre lang.

Das heisst, Energie aus neuen AKWs ist heute mehr als doppelt so teuer wie neue Windenergie und auch fast doppelt so teuer wie Sonnenenergie, für die heute in Europa 10 bis 15 Eurocent bezahlt werden. Gleichzeitig purzeln die Preise für Sonnen- und Windenergie weltweit weiter. AKWs sind für private Investoren deshalb ein No-Go.

Neue AKWs bleiben Träume von Ewiggestrigen, wenn keine Subventionen bezahlt werden.

Wären die AKW-Freunde Wasserfallen und Rösti ehrlich, dann hätten sie in der Nationalratsdebatte kostendeckende Einspeisevergütungen für Atomstrom gefordert. Ohne sehr hohe Subventionen bleiben neue AKWs Träume von Ewiggestrigen. Weil die Atomfreunde das nicht gemacht haben, sind sie unglaubwürdig. Es wäre aus ihrer Sicht nämlich dringend. Ein Neubau dauert mindestens 15 Jahre. Das Warten auf neue AKW-Generationen erhöht die Importabhängigkeit mit jedem Tag.

In allen umliegenden Ländern werden Investitionen in neue Solar- und Windkraftwerke getätigt. Nur in der Schweiz nicht. Hierzulande veralten die bestehenden Wasser- und Atomkraftwerke. Wer zur Energiestrategie Stopp sagt, zementiert diesen Missstand. Frankreich hat pro Kopf 4 Mal mehr Solar- und Windkraftwerke als die Schweiz, Österreich 5 Mal mehr, Italien 9 Mal mehr und Deutschland 15 Mal mehr.

Unter diesen Umständen bringt das erste Massnahmenpaket der Energiestrategie nicht eine Marktverzerrung, sondern die eidgenössische Antwort auf bestehende Marktverzerrungen, welche die Schweizer Solar-, Wind- und Wasserbranche bisher stark benachteiligt haben. Die Energiestrategie schafft endlich gleich lange Spiesse mit dem Ausland.

Die Energiesteuer-Initiative hätte die Energiewende auf ein Abstellgleis geschickt. Nun fährt sie auf dem richtigen Gleis weiter.

Die grünliberale Initiative hätte die Energiewende auf ein Abstellgleis geschickt. Es ist richtig, dass sie abgelehnt wurde. Die Energiewende fährt jetzt auf dem richtigen Gleis weiter.

Aus der Sicht der SP sollte sie schneller laufen. Denn die laufenden AKWs sind marode, und die Abhängigkeit von fossilen Energiequellen aus Saudi-Arabien und Russland wird immer deutlicher zu einer der bedrohlichsten Hypotheken für die Schweiz. Bis 2050 soll die Vollversorgung mit erneuerbarer Energie in der Schweiz erreicht werden. An diesem Ziel wird die SP konsequent weiterarbeiten.

_
Der Autor Beat Jans ist SP-Nationalrat (BS) und Energiepolitik eines seiner Kernthemen.

Nächster Artikel