Die Tempelanlagen von Angkor Wat standen zu ihrer Blütezeit im Zentrum urbaner Landschaften, das ist bekannt. Das Ausmass enthüllen aber erst jetzt neue Messungen. Mit verblüffenden Ergebnissen.
Archäologen haben riesige mittelalterliche Siedlungsreste in der Nähe der Tempelanlage Angkor Wat in Kambodscha entdeckt. Mit der Dokumentation deutlich komplexerer urbaner Strukturen, von aufwendigen Wassermanagementsystemen und sogar Umgehungsstrassen müsse ein Teil der Khmer-Geschichte womöglich neu geschrieben werden, schreiben sie im am Montag erscheinenden «Journal of Archaeological Science».
Die Wissenschaftler fanden keine Anhaltspunkte für die Theorie, dass die Hochkultur nach einer Invasion aus dem heutigen Thailand mit einer Massenmigration Richtung Süden zu Ende ging.
«Wir haben ganze Städte unter den Wäldern entdeckt, von denen bislang niemand wusste, dass sie dort sind» sagte der Autor, Damian Evans von der Ecole française d’Extreme-Orient in Paris der britischen Zeitung «The Guardian». Er nutzte mit Kollegen neue Lasermessungen (Lidar) aus der Luft, mit deren Hilfe Strukturen unter der dichten Vegetation des Dschungels erkannt werden können.
Komplexer als bisher vermutet
Viele der bereits bekannten Kanalsysteme seien weitaus komplexer als bislang vermutet, schreibt Evans. Die Art der Wasserversorgung galt als Erfindung aus der Angkor-Blütezeit zwischen dem 9. und 13. Jahrhundert.
«Aber hier haben wir ein Beispiel von einem höchst ausgeklügelten Wassermanagementsystem, das womöglich mehrere hundert Jahre älter ist», schreibt Evans. Auch die hier und da durch Ausgrabungen bereits bekannten urbanen Strukturen erstrecken sich deutlich weiter als bislang gedacht: teils bis 50 Quadratkilometer.
Am Berg Phnom Kulen nordöstlich von Angkor Wat sei bislang nur ein kleiner Teil der Siedlung Mahendraparvata bekannt gewesen. Nach den neuen Daten sei sie so gross wie Kambodschas Hauptstadt Phnom Penh. Auch die Siedlung um Sambor Prei Kuk sei deutlich umfangreicher, komplexer gebaut und dichter bewohnt gewesen.
Bislang dachten Wissenschaftler, das Gebiet um Preah Khan sei dünn besiedelt gewesen, doch hätten die neue Lasermessungen auch dort komplexe und weitreichende urbane Strukturen zu Tage gefördert.
Für eine Vertreibung hunderttausender Einwohner Richtung Süden gebe es keine Anhaltspunkte. Womöglich habe sich der Niedergang etwa wegen Dürre oder wegen des Zusammenbruchs der Wasserversorgung allmählicher ereignet.