In Arosa kann sich die Schweizer Skicross-Elite am Dienstagabend in einem attraktiven TV-Slot präsentieren. Ähnliche Gelegenheiten erhalten Fanny Smith und Co. relativ wenig.
Ein Insider über eine Sportart mit nicht ausgeschöpftem Potenzial.
Rückblende, Vancouver 2010, Cypress Mountain. Nonkonforme Skifahrer drängen auf die olympische Bühne – oder besser: Sie fliegen atemberaubend weit und katapultieren sich innert Kürze mitten ins öffentliche Interesse. Die Fernsehstationen sind sich sofort einig: ein tolles und simples TV-Format, das hohe Quoten garantiert. Ein erbarmungsloser Verdrängungskampf in einem Parcours, spektakuläre Stürze – vom wilden Ritt liessen sich in der olympischen Premieren-Stunde selbst konservativere Schneesportkreise vereinnahmen.
Sechs Jahre später balgt sich niemand um die Übertragungsrechte. Die Athleten trainieren zwar professioneller, und die Qualität der Tour ist höher als im Vorfeld der vorletzten Winterspiele, aber ein kräftiger Boom ist nicht feststellbar. Die Bildschirmpräsenz ist in der Schweiz nach wie vor (zu) gering, die Geldflüsse sind verhältnismässig überschaubar. Nur für wenige geht die Rechnung auf, das Gros lebt vom eigenen Enthusiasmus.
Christoph Perreten beobachtet die Entwicklung seit über einem Jahrzehnt genau. Der Freestyle-Chef von Swiss-Ski gibt zu, «dass wir in der Vermarktung einiges Potenzial nach oben haben». Die Gefahr des Stillstands sieht er nicht, ihm falle eher das Gegenteil auf: «Es hat sich etwas bewegt. Skicross wächst weiterhin auf allen Ebenen.» Der TV-Vertrag biete in den nächsten sechs Jahren Sicherheiten und Chancen.
Langjährige Partnerschaften
Er spricht von einer Weichenstellung für einheimische Veranstalter. Der Deal mit der SRG basiere nicht ausschliesslich auf alpinen Begehrlichkeiten. Perreten sieht in der vertraglich zugesicherten grösseren Plattform eine Chance, die Sportart medial breiter zu verankern. Viel hänge mit dem Timing zusammen. Wann wird etwas ausgestrahlt, in welcher Form? «Die Herausforderung sind der Zeitpunkt und vielleicht auch das Produkt.»
Zuversichtlich stimmen Perreten langjährige Partnerschaften mit nationalen Winterspots. Das Commitment von Arosa vor ein paar Jahren habe die Sportler vorwärtsgebracht. Neben einem erheblichen technischen Knowhow sei in solchen Regionen eine Menge Herzblut vorhanden: «Wir brauchen selbstverständlich Destinationen, die an die Fortschritte einer Sportart glauben und mit ihren Investitionen zum Wachstum beitragen.»
In der Swiss-Ski-Zentrale ist trotzdem jedem klar: Die besten Programme und Bedingungen bringen nichts, wenn die Identifikationsfiguren auf der Piste fehlen. «Es steht und fällt mit den Leuten, welche die Aussendarstellung prägen. Wir leben im Skicross von erfolgreichen Persönlichkeiten, von Siegertypen.» Mike Schmid war ein solcher Sympathieträger, Fanny Smith gehört im Frauen-Tableau zur höchsten Kategorie, Alex Fiva besitzt die Klasse und Physis ebenfalls, sich deutlich vom internationalen Durchschnitt abzuheben.
Keine One-Man-Show mehr
Im Hintergrund unternimmt Ralph Pfäffli alles, eine junge und etwas wildere Garde aufzubauen. Der Chefcoach gilt als Mann der ersten Schweizer Skicross-Wettkampfstunde. Die Passion, ab und an aus dem mächtigen Schatten der Alpinen zu rasen, treibt den Schwerarbeiter an. Er lässt seit bald 15 Saisons nichts unversucht, Verbesserungen zu erzielen.
Dank seinem unermüdlichen Engagement ist aus einer anfänglichen One-Man-Show eine Entourage geworden, die mit den hohen Zielen vereinbar ist. Früher reiste Pfäffli unbegleitet quer durch die Welt, inzwischen wird das Team von einem Trainer-Assistenten, zwei Servicemännern, zwei Physiotherapeuten und je nach Bedarf von einem weiteren Spezialisten unterstützt.
«Das Portefeuille hat sich verändert», stellt Perreten fest. Er meint das gesamte Schweizer Ski-Konstrukt. Die Ausgaben sind markant gestiegen. Die Cross-Pioniere kalkulierten mit 25’000 Franken pro Saison, inzwischen legt der Verband pro Winter für Pfäfflis Crew eine Million aus. Im internationalen Gesamtkontext leben die Swiss Skicrosser trotzdem auf relativ kleinem Fuss.
In Kanada stellen die Verantwortlichen andere Geldbeträge zur Verfügung. Der Stellenwert ist deutlich höher. Fiva beispielsweise, seit dem Rückzug von Mike Schmid der Schweizer Teamleader und inzwischen auch im Weltcup wieder topklassiert, dürfte im nordamerikanischen Raum mit mehr Sponsoring-Interesse rechnen. Frontmann Pfäffli kennt die Unterschiede: «Kanadische Topfahrer sind in ihrem Land hoch angesehene Persönlichkeiten.»