Auch zwei Tage nach dem 3:0 gegen Estland steht rund um das Schweizer Team der Sport nicht im Vordergrund. Die Diskussion um Spieler mit Migrationshintergrund ist nicht verhallt.
Das Wetter war garstig am Sonntag am oberen Zürichsee. Als das Schweizer National-Team am Nachmittag in Rapperswil-Jona das Training absolvierte, fiel kalter Regen. Keine Spur von Frühling. Auf Sommerzeit wurde am Wochenende nur auf den Uhren umgestellt. Kurz: Es war frostig und das passte irgendwie zur Stimmung rund um das Team. Das ist paradox genug, denn die Mannschaft ist nach dem mühelosen 3:0 am Freitag gegen Estland auf EM-Kurs. Sie hat drei der letzten vier Spiele gewonnen und dabei 13 Tore erzielt.
Doch die Äusserungen von Verteidiger Stephan Lichtsteiner letzte Woche über die Rolle von Identifikationsfiguren sowie die Ausdrücke «so genannt richtige und andere Schweizer», die ihren Ursprung in der Nichtnomination von Tranquillo Barnetta und Pirmin Schwegler hatten, hallten auch am Sonntag nach. Weil der «Blick» diese aus dem Zusammenhang herausgerissen und missbraucht hat, um einerseits eine Diskussion über die grosse Anzahl an Nationalspielern mit Migrationshintergrund anzustossen und um andererseits daraus eine Kampagne gegen Nationaltrainer Vladimir Petkovic und dessen angebliche Kommunikationsschwäche loszutreten.
Aus dem innersten Mannschaftszirkel wurde vermeldet: alles kein Problem!, und Peter Stadelmann, der Delegierte der Nationalmannschaft, sagte, man solle die Nati nicht mit Themen belasten, die intern gar nicht stattfänden. Auch ein Führungsspieler wie Valon Behrami, der Leitwolf der albanisch-stämmigen Fraktion im Team, hat eine klare Botschaft: Negative Stimmung von aussen zum jetzigen Zeitpunkt ist fehl am Platz und unverständlich.
Valon Behrami (30) ist von den aktuellen Nationalspielern mit albanischen Wurzeln der Dienstälteste. Er gehört seit fast zehn Jahren zur SFV-Auswahl. «Es tut weh, dass wir nach so langer Zeit diese Diskussion wieder führen.» Die Äusserungen von Lichtsteiner sieht er nicht als Angriff auf die Secondos im Nationalteam.
Zu Behramis Geschichte im Nationalteam gehört auch, dass er sich im letzten Herbst in der Debatte um den im Klub zelebrierten «Doppeladler-Jubel» seiner Kollegen Pajtim Kasami und Granit Xhaka um eine rasche Lösung bemüht hatte und diesbezüglich auch am Sonntag nochmals klare Worte fand. «Man sollte aufhören, zwischen Schweiz-Schweizern und Kosovo-Schweizern zu unterscheiden und man sollte sich im Fussball auch nicht zu viele Gedanken über die Herkunft machen. Sonst geht es zu schnell um Politik und dann beschreiten wir eine Strasse, die nie zu Ende ist.»
Trotzdem ist Behrami feinfühlig genug, kulturelle und emotionale Unterschiede zwischen den einzelnen Spielern nicht auszublenden. «Wenn die Nationalhymne gespielt wird, singe ich nicht mit. Aber es ist doch ganz normal, dass ich dann andere Emotionen empfinde als einer, der in der Schweiz geboren ist.» Behrami hat dies schon oft gesagt. Neu sind seine Gedanken nicht. Und deshalb fragt er: «Weshalb kommt es gerade jetzt wieder zu dieser Diskussion?» Es ist eine Frage, in der viel Enttäuschung und Unverständnis mitschwingt.