Deutschlands bekanntester Kabarettist ist tot. Dieter Hildebrandt, der wie kein anderer die politische Satire in der Bundesrepublik prägte, starb in der Nacht zu Mittwoch im Alter von 86 Jahren. Er erlag in einem Münchner Spital einem Krebsleiden.
Kollegen und Politiker würdigten ihn als einen herausragenden Künstler. Als «deutschen Politkabarettisten par excellence» bezeichnete Franz Hohler seinen verstorbenen Kollegen. «Wir alle haben ihn für seine Scharfzüngigkeit bewundert, für seine Fähigkeit, Politik in Pointen zu verwandeln», erklärte Hohler auf Anfrage.
Hildebrandt sei im Kreis seiner Familie gestorben, teilten seine Frau Renate und die Münchner Lach- und Schiessgesellschaft mit, deren Mitbegründer Hildebrandt war.
«Bis zum Schluss hatte er Pläne, hatte gekämpft und wollte sich im Dezember auf der Bühne der Münchner Lach- und Schiessgesellschaft von seinem Publikum verabschieden», schrieb die Gesellschaft auf ihrer Internetseite. Dieser Abschied war ihm nicht mehr vergönnt.
«Er hätte uns noch so viel zu sagen gehabt. Wir trauern mit seiner Familie um einen wunderbaren Menschen, lieben Freund, Förderer und eine moralische Instanz», heisst es in der Mitteilung weiter.
Bekanntester Politkabarettist
Hildebrandt war der wohl bekannteste Kabarettist der Bundesrepublik und bis 2003 das Gesicht der ARD-Sendung «Scheibenwischer». Für Helmut Dietls Kult-Serie «Kir Royal» stand Hildebrandt als Fotograf «Herbie» an der Seite von «Baby Schimmerlos» vor der Kamera.
Und für die Fortsetzung «Zettl» übernahm er die Rolle noch einmal. Bis 1980 liefen Hildebrandts «Notizen aus der Provinz» im ZDF, nach einer erzwungenen Sendepause wechselte er zum Sender Freies Berlin.
Hildebrandt wurde im schlesischen Bunzlau geboren und begann nach dem Zweiten Weltkrieg ein Studium in München, wo er seither lebte. Zusammen mit Sammy Drechsel gründete er nach seinen Intermezzi als Platzanweiser und als Mitglied in einem Studentenkabarett 1956 die Münchner Lach- und Schiessgesellschaft.
«Das Publikum war sein Vitamin»
Die Diagnose Prostatakrebs erhielt er gemäss der Münchner Zeitung «tz» im Sommer. Er sagte daraufhin alle Auftritte ab. Nachdem sich sein Zustand vor wenigen Wochen gebessert hatte, durfte er zunächst nach Hause. Dann habe es aber einen schweren Rückschlag gegeben und er sei erneut in die Klinik gekommen, hiess es.
Erst vor 14 Tagen sei er bei ihm gewesen, sagte Hildebrandts früherer «Scheibenwischer»-Kollege Bruno Jonas. «Da war er voller Tatendrang und wollte im Dezember wieder auf die Bühne. Er war ein Kämpfer», sagte Jonas: «Er war einmalig.»
Hildebrandts Improvisationstalent habe ihn immer wieder beeindruckt, erklärte Franz Hohler gegenüber der sda: «Eine Nummer von ihm, die in der Probe sieben Minuten gedauert hatte, konnte mit Publikum auf eine Viertelstunde anwachsen. Das Publikum war Hildebrandts eigentliches Vitamin. Es wird ihn vermissen, und ich auch.»
«Ein grosser Verlust für uns alle»
Hohler rief in Erinnerung, dass Hildebrandt der Schweizer Kabarettszene gelegentlich vorgehalten wurde – «im Sinne von: Warum spielt bei uns niemand so unerbittlich auf den Mann? Er stand immer als eine Möglichkeit im Hintergrund, wie politisches Kabarett auch sein könnte. Aber das konnte und wollte eben nur er.»
«Dieter Hildebrandt hat mit spitzer Feder und spitzer Zunge über Jahrzehnte Politikern in Deutschland den Spiegel vorgehalten», sagte Bayerns konservativer Ministerpräsident Horst Seehofer am Mittwoch: «Bayern verneigt sich mit Achtung und Respekt.»
« SPD-Chef Sigmar Gabriel trauerte um den »wohl charmantesten Kritiker« seiner Partei und würdigte Hildebrandt als »grossartigen Kabarettisten«. »Es ist ein grosser Verlust«, sagte Hildebrandts Freund Dieter Hanitzsch, mit dem er das Online-Kabarett-Projekt stoersender.tv auf die Beine gestellt hat: »Für uns alle.“