Wissenschaftler haben einen erdähnlichen Planeten in unmittelbarer Nachbarschaft unseres Sonnensystems entdeckt: Er kreist um den uns nächsten Stern Proxima Centauri. Auf dem damit erdnächsten Exoplaneten könnten Bedingungen herrschen, die Leben ermöglichen.
Das Forscherteam um Guillem Anglada-Escudé von der Queen Mary University in London hat den nach eigenen Angaben erdnächsten Exoplaneten – also Planeten ausserhalb des Sonnensystems – entdeckt. Er umkreist den Stern Proxima Centauri, der nur etwas mehr als vier Lichtjahre – oder rund 40 Billionen Kilometer – vom Sonnensystem entfernt ist, berichten die Forscher im Fachjournal «Nature».
Für Aufregung sorgt der Fund, weil der «Proxima b» genannte Exoplanet seinen Stern in der sogenannten habitablen Zone umkreist. Es könnten also Bedingungen auf ihm herrschen, die theoretisch Leben ermöglichen. Gleichzeitig besitzt er eine der Erde ähnliche Masse – den Berechnungen zufolge etwa das 1,3-fache der Erdmasse.
«Das ist der erste Exoplanet, der gefunden wurde, bei dem diese beiden Eigenschaften zusammenkommen», erklärte Willy Benz von der Universität Bern, der nicht an der Entdeckung beteiligt war, im Gespräch mit der Nachrichtenagentur sda. Schon früher seien Exoplaneten in der habitablen Zone entdeckt worden, aber diese hatten eine viel grössere Masse und wurden als «Mini-Neptun» oder als «Supererde» bezeichnet.
Noch ist nicht klar, ob tatsächlich die nötigen Bedingungen auf Proxima b herrschen, damit dort theoretisch Leben möglich wäre. «Das hängt nicht nur vom Abstand des Exoplaneten zu seinem Stern ab, sondern auch von seiner Atmosphäre», so Benz. «Deren Zusammensetzung kennen wir noch nicht.»
Eng beim kühlen Stern
Proxima b umkreist Proxima Centauri der Studie zufolge in 11,2 Tagen in einer Entfernung von nur rund sieben Millionen Kilometern. Der Abstand zwischen Erde und Sonne beträgt etwa 20 mal so viel.
Proxima Centauri ist jedoch ein relativ kühler Stern – ein sogenannter roter Zwerg mit nur rund 12 Prozent der Masse unserer Sonne. Die Nähe zu Proxima b dürfte somit genau den Temperaturbereich schaffen, in dem Wasser flüssig vorliegt – was als Grundvoraussetzung von Leben betrachtet wird.
Für eine nähere Charakterisierung des vielversprechenden Himmelsobjekts muss sich vor allem die Technik verbessern. Denkbar seien etwa hochauflösende Spektroskopie in den nächsten Jahrzehnten und möglicherweise sogar Roboterexpeditionen in den kommenden Jahrhunderten, schreiben die 31 Autoren der Studie in «Nature».
Bisher haben die Forscher allerdings nur indirekte Hinweise auf die Existenz und Eigenschaften des Exoplaneten und schreiben daher vorsichtig von einem «Planetenkandidaten»: Unter anderem mit Teleskopen der Europäischen Südsternwarte (ESO) in Chile massen sie das «Wackeln» des Sterns, das durch die Anziehungskräfte des Exoplaneten entsteht. Die Methode wird als Radialgeschwindigkeitsmessung bezeichnet.
«Derzeit wird aber das Extremely Large Telescope in Chile gebaut, das etwa im Jahr 2025 mit allen nötigen Instrumenten ausgestattet sein soll», sagte Benz der sda. Dieses Riesen-Teleskop wird einen Hauptspiegel-Durchmesser von 39 Metern haben. «Damit wäre es möglich, Proxima b direkt zu sehen.»
Frischer Aufwind
Die Entdeckung gibt dem Feld der Exoplanetenforschung frischen Aufwind: «1995 wurde der erste Exoplanet entdeckt, also der erste Planet ausserhalb unseres Sonnensystems. Das war eine Revolution und seither wurden über 3000 solcher Objekte gefunden», erklärte Benz. «Allerdings machte sich auch etwas Ernüchterung breit, weil klar wurde, dass die meisten davon viel zu weit weg sind, um sie in naher oder mittlerer Zukunft studieren zu können.»
Nun sei ein erdähnlicher Exoplanet gefunden, der noch dazu um den nächsten benachbarten Stern kreist. «Rund 70 bis 80 Prozent der Sterne in der unmittelbaren Nähe unserer Sonne gehören zur gleichen Klasse wie Proxima Centauri, sind also rote Zwergsterne», so Benz. «Wenn schon unser nächster Nachbar so einen erdähnlichen Planeten besitzt, gibt es wahrscheinlich noch viel mehr, und sie sind nah genug, um sie studieren zu können.»
Astronomen werden nun versuchen, den Durchmesser von Proxima b zu bestimmen. «Dafür brauchen wir einen Transit, also ein Vorbeiziehen des Exoplaneten vor seinem Stern aus der Blickrichtung der Erde.» Aus dem Grad der Abdunklung des Sterns könne man den Durchmesser von Proxima b berechnen. Und gemeinsam mit der Masse auf seine Dichte zurück schliessen. «Erst dann werden wir sicher wissen, ob es sich um einen Gesteinsplaneten handelt», sagte Benz.
ESA-Mission unter Schweizer Leitung
Der Berner Astronom ist Leiter der ESA-Mission CHEOPS (Characterising ExOPlanets Satellite), die in einigen Monaten starten soll. Dieses Weltraumteleskop wird am Center for Space and Habitability (CSH) der Universität Bern entwickelt, konstruiert und getestet.
«Sollten noch genauere Messungen von Proxima b nötig sein, wenn CHEOPS einsatzbereit ist, können wir das mit unseren Instrumenten tun», so Benz. Und sonst werde das Missionsteam all die anderen erdähnlichen Exoplaneten vermessen, die vermutlich in unserer kosmischen Nachbarschaft auf ihre Entdeckung warten.