Am Vortag der türkischen Kommunalwahlen hat Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan nochmals leidenschaftlich um Stimmen in der Millionenmetropole Istanbul geworben und seine Kritiker attackiert. Im Stadtbezirk Atasehir rief er die Wähler am Samstag auf, an den Urnen gegen den „Verrat“ an seiner Regierung zu protestieren.
„So etwas gibt es in keinem anderen Land der Welt“, wiederholte Erdogan seine These eines Komplotts der sogenannten Gülen-Bewegung „gegen die Interessen des Landes“.
Insgesamt waren in Istanbul am Samstag fünf Wahlkampfreden des islamisch-konservativen Politikers der Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung (AKP) geplant, der einst selbst Bürgermeister der Grossstadt war.
Geplant war dort auch eine Massenveranstaltung der säkularistischen Republikanischen Volkspartei (CHP), der wichtigsten Oppositionskraft, mit zehntausenden Teilnehmern. „Wer Istanbul für sich gewinnt, gewinnt auch die Türkei“, hatte Erdogan im Vorfeld erklärt. Jeder fünfte der insgesamt 50 Millionen türkischen Wahlberechtigten lebt in der Metropole am Bosporus.
Die Wahlen am Sonntag sind als Stimmungsbarometer nicht nur deshalb wichtig, weil sie der erste Test seit den Gezi-Demonstrationen des vergangenen Sommers, den Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung vom Dezember und mehreren Erdogan-Affären ist. Das Wahlergebnis wird auch mit entscheidend für die Frage sein, ob sich der 60-jährige Erdogan im August um das Präsidentenamt bewirbt.
Bei der letzten Kommunalwahl 2009 hatte die AKP mit 38,8 Prozent im Landesdurchschnitt alle anderen Parteien hinter sich gelassen. Vor allem wichtige Städte wie Istanbul und Ankara blieben in der Hand des Erdogan-Lagers, die CHP landete mit 23,1 Prozent weit abgeschlagen auf dem zweiten Platz.
In letzten Umfragen lag der amtierende Bürgermeister von Istanbul, der AKP-Politiker Kadir Topbas, knapp vor seinem CHP-Herausforderer Mustafa Sarigül.