Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will sich erstmals mit Vertretern der Protestbewegung treffen. Ein Gespräch sei am Mittwoch geplant, zitierten türkische Medien am Montag Vizeregierungschef Bülent Arinc.
Unterdessen unterzeichnete Präsident Abdullah Gül ein heftig umstrittenes Gesetz, das den Verkauf und Ausschank von Alkohol weiter beschränkt. Die türkische Opposition warnte Erdogan vor einer weiteren Eskalation.
Trotz den Drohgebärden Erdogans gingen die Proteste gegen ihn weiter. In der südlichen Provinz Adana nahm die Polizei in der Nacht auf Montag 13 weitere Nutzer des Kurznachrichtendienstes Twitter fest.
Den in Adana festgenommenen Twitter-Nutzern werde vorgeworfen, im Internet zu Unruhen angestachelt und Angriffe auf Polizeikräfte koordiniert zu haben, berichtete der Sender CNN Türk. Twitter und Facebook sind für viele Regierungsgegner die wichtigsten Kommunikationsmittel.
Steine und Tränengas
In Adana hatte es in der Nacht auf Sonntag Zusammenstösse von Anhängern der Regierung und Gegnern Erdogans gegeben. Steinewerfer hätten eine Demonstration gegen Erdogan angegriffen, hiess es. Die Polizei griff ein, während sich beide Gruppen Kämpfe lieferten.
In Ankara hatte die Polizei mit Wasserwerfern und Tränengas rund 10’000 Demonstranten auseinandergetrieben, die sich auf dem Kizilay-Platz versammelt hatten. Und in Istanbul strömten Demonstranten am Sonntag zu einer Grosskundgebung auf den Taksim-Platz, zu der die Taksim-Plattform aufgerufen hatte.
Die türkische Polizei ging gleich in mehreren Städten gegen Demonstranten vor, darunter in der Hauptstadt Ankara und in Adana, wie türkische Medien berichteten.
Kemalisten kritisieren Erdogan
Nach Drohungen Erdogans gegen die Protestbewegung forderte der Vorsitzende der oppositionellen kemalistischen Republikanischen Volkspartei (CHP), Kemal Kilicdaroglu, den Regierungschef zur Mässigung auf. «Eine Politik, die sich aus Spannung nährt, stürzt die Gesellschaft ins Feuer», zitierte die Tageszeitung «Hürriyet» den Politiker.
Erdogans islamisch-konservative Regierungspartei AKP will am kommenden Wochenende zwei Kundgebungen von Anhängern in Ankara und Istanbul organisieren. Erdogan hatte am Sonntag bei einer Ansprache am Flughafen von Ankara den Demonstranten gedroht, Geduld habe ihre Grenzen.
Öl ins Feuer
Aus Sicht seiner Gegner heizt Erdogan die Stimmung auf. Er charakterisiert die Demonstranten als gottlose Gewalttäter, die selbst in einer zur Krankenstation umfunktionierten Moschee in Istanbul Bier getrunken hätten. Der Imam und der Muezzin der Moschee bestreiten das.
Auch für Erdogans Behauptung, Frauen seien wegen ihres Kopftuches attackiert worden, wurden keine Beweise oder Details präsentiert.
EU mahnt Erdogan
Die Europäische Union hatte am Sonntag die Regierung Erdogans daran erinnert, dass zwischen dem Umgang mit Oppositionellen und dem Wunsch Ankaras auf einen Beitritt zur EU ein Zusammenhang besteht. Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich in einer in Brüssel veröffentlichten Erklärung «weiterhin besorgt über die Lage in der Türkei». Sie forderte «Mässigung von allen Seiten».
Ashton erklärte, die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei und deren Verpflichtung gegenüber den sogenannten «Kopenhagen-Kriterien» von Demokratie, Pluralismus und Rechtsstaatlichkeit seien der Rahmen für die Garantie von Menschenrechten und Grundfreiheiten für alle Bürger.