Die spektakuläre Befreiung von drei seit Jahren vermissten Frauen in Cleveland sorgt in den USA für grosse Freude. Während die Ermittlungen am Mittwoch auf Hochtouren liefen, wurde das befreite Entführungsopfer Amanda Berry als Heldin gefeiert.
Nach zehn Jahren Gefangenschaft war es Berry am Montag gelungen, aus dem Haus des mutmasslichen Entführers entkommen. «Amanda hier ist die echte Heldin», sagte der stellvertretende Polizeichef Ed Tomba. «Sie hat die Sache ins Laufen gebracht (…) Ohne sie wären wir jetzt nicht hier.»
Nach Berrys Flucht wurden auch Gina DeJesus und Michelle Knight aus dem Haus befreit. Beide waren wie Berry zwischen 2002 und 2004 zuletzt gesehen worden. Ein ebenfalls befreites sechsjähriges Mädchen soll die Tochter von Amanda Berry sein.
Anklage wegen Entführung droht
Ariel Castro, der Hauptverdächtige, und zwei Brüder von ihm wurden festgenommen. Von den Behörden veröffentlichte Bilder der Verdächtigen zeigen drei eher korpulente Männer mit grauen Bärten. Die Richter gaben der Polizei 48 Stunden Zeit, um konkrete Vorwürfe gegen die Männer zu formulieren.
Die drei Brüder sollten noch am Mittwoch einem Richter vorgeführt werden. Der Anwalt und Strafrechtsexperte Page Pate sagte der Nachrichtenagentur AFP, den Männern drohe mindestens eine Anklage wegen Entführung.
Ketten und Seile gefunden
Die Ermittler müssen sich unterdessen trotz der Befreiung Kritik gefallen lassen. Nachbarn hatten laut Medienberichten die Polizei mehrmals auf eigenartige Vorgänge und angeblich sogar auf «Frauen in Ketten» in dem Haus aufmerksam gemacht.
Am Mittwoch entdeckten die Ermittler tatsächlich Ketten und Seile in dem Haus. «Wir können bestätigen, dass die Frauen gefesselt wurden», sagte Polizeichef Michael McGrath am Mittwoch dem Sender NBC. Details zu den Umständen des jahrelangen Verschwindens der heute 23, 27 und 32 Jahre alten Frauen wurden zunächst nicht bekannt.
Nachbar ruft Polizei
Amanda Berry kam frei, nachdem Nachbar Charles Ramsey am Montag Hilferufe aus dem Haus gehört hatte. Mit seiner Hilfe rief sie den Berichten zufolge die Polizei. Ramsey wurde über Nacht zum Helden hochstilisiert: Videos davon, wie der Tellerwäscher von seiner Heldentat berichtet, wurden auf YouTube seit Montag hunderttausende Mal angeklickt und über Twitter und Yahoo weiterverbreitet.
Auch Aufnahmen von Ramseys Anruf bei der Notrufzentrale verbreiteten sich wie ein Lauffeuer. «Bruder, ich wusste, dass etwas nicht stimmt, als sich dieses hübsche kleine weisse Mädchen in die Arme eines schwarzen Mannes warf», erzählte der Afroamerikaner Ramsey dem Fernsehsender WEWS über den Moment, als er Berry befreite.
Unterstützung von ehemaligen Opfern
Worte der Unterstützung kamen von einem anderen ehemaligen Entführungsopfer aus den USA, von Jaycee Lee Dugard. Das berichtete die Zeitung «Los Angeles Times». Die Frauen brauchten nun Zeit für eine Heilung, wurde Dugard in einer Mitteilung zitiert. Dugard war 1991 als Mädchen entführt und 18 Jahre lang gefangen gehalten worden.
Auch die im Jahr 2002 im Alter von 14 Jahren für neun Monate in den USA festgehaltene Elizabeth Smart, forderte Rücksicht auf die drei geretteten Frauen. «Sie sollen wissen, dass sie sich nicht unter Druck fühlen sollten, irgendetwas zu sagen», sagte Smart dem Sender CNN.