Gegen den französischen Präsidentschaftskandidaten François Fillon ist wegen möglicher Scheinbeschäftigung von Familienmitgliedern ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden. Dies gab sein Anwalt Antonin Lévy bekannt.
Untersuchungsrichter beschuldigten den konservativen Politiker am Dienstag unter anderem formell einer Veruntreuung von Staatsgeldern, wie Lévy sagte. Als Abgeordneter beschäftigte Fillon jahrelang seine Frau Penelope als parlamentarische Mitarbeiterin, als Senator ausserdem zwei seiner Kinder.
Bezahlt wurden die Familienmitglieder aus Parlamentsgeldern. Es besteht aber der Verdacht, dass sie gar keine oder nur wenige parlamentarische Aufgaben für Fillon übernahmen.
Die zuständigen Untersuchungsrichter luden Fillon am Dienstagmorgen vor und leiteten ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein. Ursprünglich hatten sie den Ex-Premierminister erst für Mittwoch vorgeladen. Die Befragung wurde aber um 24 Stunden vorgezogen, damit sie in «Ruhe» stattfinden könne, wie Anwalt Lévy sagte. Der Fall hat ein gewaltiges Medieninteresse ausgelöst.
Vorwurf der Unterschlagung
Nach Angaben aus Justizkreisen wird dem 63-jährigen Fillon nicht nur eine Veruntreuung öffentlicher Gelder vorgeworfen. Der Vorwurf lautet demnach auch auf Mithilfe bei der Unterschlagung von Firmenvermögen und Verletzung der Offenlegungspflichten von Politikern.
Fillons Ehefrau war 2012 und 2013 bei einem Magazin beschäftigt worden, das Fillons Freund Marc Ladreit de Lacharrière gehört. Sie erhielt in der Zeit rund 100’000 Euro. Auch hier bestehen erhebliche Zweifel an der Arbeit der Politikergattin.
Ausserdem gewährte der Milliardär Ladreit de Lacharrière François Fillon 2013 einen zinslosen Kredit über 50’000 Euro, den Fillon in seiner Vermögensaufstellung für die französische Transparenzbehörde unterschlug.
In Umfragen abgestürzt
In Umfragen ist der lange als Präsidentschaftsfavorit gehandelte Fillon wegen der Affäre abgestürzt: Bei den Wahlabsichten für die erste Runde am 23. April liegt er mit klarem Abstand hinter der Rechtspopulistin Marine Le Pen und dem parteilosen Mitte-Kandidaten Emmanuel Macron und würde damit den Einzug in die Stichwahl verfehlen.
Nachdem eine Reihe von Parteifreunden sich zwischenzeitlich von Fillon abgewandt hatten, stellte sich die Parteiführung aber Anfang vergangener Woche geschlossen hinter ihren Spitzenkandidaten.
Noch nicht angeklagt
Mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens gegen Fillon rückt eine Anklage näher – noch aber ist es nicht so weit. Zunächst einmal ist er formell beschuldigt. Eine Anklage und ein Prozess könnten später folgen. Vor den zwei Runden der Präsidentschaftswahl am 23. April und 7. Mai ist das aber höchst unwahrscheinlich.
Die Untersuchungsrichter werden jetzt ihre Ermittlungen fortsetzen, die sie Ende Februar von der nationalen Finanzstaatsanwaltschaft übernommen hatten. Das dürfte Monate dauern, zumal Fillons Anwälte eine Reihe von Rechtsmitteln einlegen können.
Am Ende der Ermittlungen haben die Untersuchungsrichter zwei Möglichkeiten: Sie können entweder Anklage gegen Fillon erheben, oder aber das Verfahren einstellen, wenn sie zu dem Schluss kommen, dass Fillon unschuldig ist oder die Beweise gegen ihn nicht ausreichen. Eine Anklageerhebung noch vor der Präsidentschaftswahl wäre eine riesige Überraschung.
Sollte der in Umfragen abgestürzte Fillon die Präsidentschaftswahl doch noch gewinnen, würde das Verfahren gegen ihn erst einmal auf Eis gelegt: Französische Präsidenten geniessen während ihrer Amtszeit Immunität.