Nach den Korruptionsermittlungen gegen Politiker in der Türkei sind örtlichen Medien zufolge mindestens 700 weitere Polizisten strafversetzt worden. Hunderte Beamte hätten ihre Stellen in Ankara und Izmir verloren, berichtete die türkische Zeitung «Radikal» am Freitag.
Dutzende weitere seien in Istanbul und in Gaziantep im Südosten des Landes betroffen. Von Seiten der Polizei lagen keine Angaben dazu vor. Seit Bekanntwerden der Bestechungsaffäre Mitte Dezember wurden bereits mehr als 5000 Polizisten entlassen oder versetzt.
Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hat bei rund 200 Staatsanwälten und Richtern ähnlich durchgegriffen und damit die Zukunft der Untersuchungen infrage gestellt.
Der Schmiergeldskandal stellt den Regierungschef vor die grösste Herausforderung seiner langjährigen Amtszeit. Die Ermittlungen richten sich unter anderem gegen Söhne von inzwischen zurückgetretenen Ministern.
Beobachter sehen hinter den Vorgängen einen Machtkampf zwischen Erdogan und den Anhängern seines Rivalen Fethullah Gülen. Der islamische Kleriker lebt nach einer Klage inzwischen in den USA.
Erdogan verurteilt die Korruptionsermittlungen als Verschwörung gegen seine Regierung, die zudem den wirtschaftlichen Aufstieg des Schwellenlandes sabotieren sollen.
In dieser Woche versuchte die türkische Zentralbank, sich mit einer drastischen Erhöhung der Leitzinsen gegen den Verfall der Landeswährung zu stemmen. Erdogan, dem bald Wahlen ins Haus stehen, hatte sich dagegen ausgesprochen.
Partei-Austritt
Aus Protest gegen den Umgang von Erdogan mit dem Korruptionsskandal trat inzwischen ein weiterer Parlamentsabgeordneter aus der Regierungspartei AKP aus. In der Partei herrsche grosse Unzufriedenheit, deshalb würden viele weitere Austritte folgen, sagte der Parlamentarier Muhammed Cetin nach Medienberichten am Freitag in Ankara.
Mit seinem Austritt kam Cetin einem Parteiausschlussverfahren zuvor, das wegen seiner Kritik an Erdogan eingeleitet worden war. Mit Cetins Schritt steigt die Zahl der Austritte aus der AKP-Parlamentsfraktion seit Mitte Dezember auf acht. Die Mehrheit der Erdogan-Partei im Parlament ist aber nicht gefährdet.