Die Kantone haben gar keine Freude an der Entwicklung der Krankenkassenprämien. Sie beurteilen die durchschnittliche Erhöhung von 4 Prozent als ungerechtfertigt.
Die Krankenkassen wehren sich und verweisen auf die hohe Qualität und Inanspruchnahme der medizinischen Leistungen in der Schweiz.
«Die angekündigte Erhöhung ist zu hoch», sagte Philippe Perrenoud, Präsident der Konferenz der kantonalen Gesundheitsdirektoren GDK, auf Anfrage der Nachrichtenagentur sda. «Mit den 6 Milliarden Franken an Reserven, die die Kassen Ende 2013 ausgewiesen haben, wäre ein moderaterer Prämienanstieg im Bereich des Möglichen gewesen.»
Die Entwicklung zeige die Wichtigkeit des neuen Krankenkassen-Aufsichtsgesetzes, auch wenn die Steuerungsmöglichkeiten noch zu begrenzt seien, sagte Perrenoud. Er sei davon überzeugt, dass dieses Gesetz die Parlamentshürde dank der Einheitskassen-Initiative übersprungen habe.
Die kurzfristige Aufhebung des Zulassungsstopps für Spezialärzte und das starke Wachstum bei der ambulanten Versorgung hätten die Gesundheitskosten in die Höhe getrieben. «Die Kantone brauchen bessere Instrumente, um das medizinische Angebot steuern zu können», forderte Perrenoud.
«Unkontrollierbares System»
In den einzelnen Kantonen tönt es ähnlich. «Die Kostenentwicklung ist erfreulich, die Prämienentwicklung ist katastrophal», sagte der Zürcher Gesundheitsdirektor Thomas Heiniger (FDP). Er beurteilt den durchschnittlichen Prämienanstieg von 4,5 Prozent in seinem Kanton als ungerechtfertigt.
Auch der Waadtländer Staatsrat und Befürworter der Einheitskasse Pierre-Yves Maillard (SP) geht auf die Barrikaden. Seiner Meinung nach ist das Gesundheitssystem «unkontrollierbar geworden, seit es den Zauberlehrlingen des Liberalismus ausgesetzt wurde».
«Uns wurde gesagt, dass der Risikoausgleich die Probleme der hohen Kosten lösen würde», sagte der Waadtländer Gesundheitsdirektor. Passiert sei das Gegenteil: «Die Schere zwischen günstigen und teuren Kassen ist so gross wie nie zuvor.»
Initianten sprechen von Prämienschock
Auch die Initianten für eine öffentliche Krankenkasse – darunter verschiedene Parteikollegen Maillards – kritisierten die Mehrkosten für die Versicherten scharf und sprachen drei Tage vor der Abstimmung von einem «Prämienschock». Die Kassen bekämen den Prämienanstieg einfach nicht in den Griff. Seit Einführung des Krankenversicherungsgesetzes (KVG) im Jahr 1996 seien die Kosten für die Versicherten um über 130 Prozent gestiegen.
Das System kranke an verschiedenen Ecken: «Noch immer werden junge und gesunde Versicherte gejagt; noch immer bieten die Kassen keine guten Angebote für chronisch kranke Menschen», teilte das Ja-Komitee für eine Einheitskasse mit.
Krankenkassen rechtfertigen sich
Freilich anders sieht dies der Krankenkassenverband santésuisse. Der Anstieg von 4 Prozent entspreche dem Anstieg der Gesundheitskosten, hiess es. «Prämien müssen die Kosten decken: Unser qualitativ gutes Gesundheitssystem hat seinen Preis.» Vor allem die intensive Nutzung von ambulanten Leistungen in Spitälern und Arztpraxen lasse die Kosten weiter steigen.
Die Gegner der Einheitskasse warfen den Initianten vor, die Bevölkerung mit «leeren Versprechen» irrezuführen. Das Argument, die Prämien würden mit einer Einheitskasse sinken, sei von Bundesrat Alain Berset widerlegt worden.
Die Prämienentwicklung sei eine logische Folge der Kostenentwicklung und nicht die Schuld der Krankenkassen. Zudem sei der publizierte Prämienanstieg von 4 Prozent viel moderater als die in den vergangenen Wochen von den Initianten geäusserten Zahlen. Das Komitee gegen die Einheitskasse fordert deswegen Konsequenzen.