Mehr als 30 Jahre nach der Herrschaft der Roten Khmer in Kambodscha müssen sich drei hochrangige Anführer des Regimes vor Gericht verantworten. Im Eröffnungsplädoyer warf die Anklage den Roten Khmer am Montag vor, das Land in ein „riesiges Sklavenlager“ verwandelt zu haben.
Die Roten Khmer hätten „eine ganze Nation in Gefangene eines brutalen Systems“ verwandelt, das „die Vorstellungskraft sprengt“, sagte Staatsanwältin Chea Leang. In einem Arbeitslager im Nordwesten des Landes seien täglich 70 bis 80 Menschen gestorben.
Die Klägerin wies auch auf den „unerbittlichen Charakter der Zwangsvertreibungen“, die „unerträglichen Bedingungen“ für Zwangsarbeiter sowie auf die Zwangsheiraten unter der Herrschaft der Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 hin.
Völkermord und Kriegsverbrechen
Vor dem von der UNO unterstützten Gericht stehen der einstige Chefideologe Nuon Chea, der frühere Staatschef Khieu Samphan und Ex-Aussenminister Ieng Sary. Die drei wichtigsten noch lebenden Anführer des maoistisch-nationalistischen Regimes sind alle über 80 Jahre alt.
Ihnen werden Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen vorgeworfen. Die Angeklagten hörten die Ausführungen der Staatsanwältin ohne grössere Regung an. Sie weisen alle Vorwürfe zurück.
Die ebenfalls angeklagte Frau des ehemaligen Aussenministers, Ieng Thirith, war vom Gericht aufgrund einer Demenzerkrankung für prozessunfähig erklärt worden. Bis zu einer Entscheidung über einen Einspruch der Anklage bleibt sie jedoch in Haft.
Zwei Millionen Tote
Hunderte Kambodschaner, darunter Angehörige von Opfern der Roten Khmer, reisten zu den Eröffnungsplädoyers nach Phnom Penh. Teile des Verfahrens sollen im Fernsehen übertragen werden.
Meas Sery verlor vier Geschwister während der Herrschaft der Roten Khmer. Der 51-Jährige reiste zum Prozessauftakt aus der Provinz Prey Veng an, um den drei Angeklagten in die Augen zu sehen. „Auch wenn noch kein Urteil gesprochen ist, bin ich froh, dass sie vor Gericht stehen“, sagte Meas Sery.
Der Sprecher des Gerichts, Lars Ole, bezeichnete es als grossen Erfolg, dass der Prozess nach so vielen Jahren überhaupt begonnen habe. Viele Menschen hätten „nicht gedacht, dass das geschehen werde“, sagte er.
Auch UNO-Menschenrechtskommissarin Navi Pillay begrüsste das Verfahren. Zugleich warnte sie vor jeglicher Einmischung in die Arbeit des Gerichts, die dessen Glaubwürdigkeit schade.