Erste Zahlungen an Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen

Die Hilfe für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen läuft an. In diesen Tagen erhalten die ersten von ihnen einen Beitrag aus dem Soforthilfefonds.

Frühere Opfer fürsorgerischer Massnahmen posieren mit Kinderfotos. (Bild: sda)

Die Hilfe für die Opfer fürsorgerischer Zwangsmassnahmen läuft an. In diesen Tagen erhalten die ersten von ihnen einen Beitrag aus dem Soforthilfefonds.

Die Schweiz macht langsam vorwärts bei der Wiedergutmachung gegenüber den Opfern von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen. Bisher sind 350 Gesuche um Soforthilfe eingegangen, sagte Luzius Mader, Delegierter für Opfer von fürsorgerischen Zwangsmassnahmen und stellvertretender Direktor des Bundesamtes für Justiz, am Montag zu einer Meldung der «Berner Zeitung». Einige wenige hätten bereits positiv beurteilt werden können. Da auch das Geld zur Verfügung stehe, könne mit der Auszahlung begonnen werden.

Damit hat der zuständige Ausschuss rascher gearbeitet als vorgesehen. Geplant war, dass die ersten Beiträge aus dem Soforthilfefonds im September ausgezahlt werden. Zuerst müssten Grundsatzfragen geklärt und eine Praxis entwickelt werden, sagte Mader. Andererseits habe es auch eindeutige Fälle gegeben. «Es handelt sich um einen Soforthilfefonds. Da hat es keinen Sinn, länger zuzuwarten als nötig.»

«Geste der Solidarität»

Die Berechtigten erhalten zwischen 4000 und 12’000 Franken aus dem Fonds. Die Höhe richtet sich nach der finanziellen Situation und den konkreten Bedürfnissen der Gesuchsteller. Mader rechnet damit, dass alle bisher eingegangenen Gesuche bis Ende Jahr beurteilt werden können.

Die Soforthilfe geht an Personen, deren persönliche Integrität durch eine vor 1981 angeordnete fürsorgerische Zwangsmassnahme verletzt worden ist und die sich heute in einer finanziellen Notlage befinden. Der Soforthilfefonds zahlt jedoch keine Entschädigung, vielmehr handelt es sich um eine Geste der Solidarität gegenüber jenen Betroffenen, die besonders darauf angewiesen sind.

Soforthilfe auf freiwilliger Basis

Entschädigungen könnten dereinst aus einem Solidaritätsfonds fliessen. Dafür muss aber zuerst eine gesetzliche Grundlage geschaffen werden, was mehrere Jahre dauern dürfte. Parallel dazu werden derzeit Unterschriften für eine Initiative gesammelt, die einen mit 500 Millionen Franken dotierten Wiedergutmachungs-Fonds verlangt.

Um die teilweise bereits betagten Betroffenen rasch und unbürokratisch unterstützten zu können, ist im April der Soforthilfefonds geschaffen worden. Dieser wird von der Glückskette verwaltet und von Kantonen, Städten und Gemeinden, anderen Institutionen sowie Privaten auf freiwilliger Basis unterstützt.

Insgesamt sollen 7 bis 8 Millionen Franken zur Verfügung gestellt werden. Wie viel Geld bereits in den Fonds geflossen ist, wollte Mader nicht sagen. Er rechnet aber damit, dass die angepeilte Grössenordnung erreicht werden kann.

Es geht um ein düsteres Kapitel der Schweizer Geschichte: Bis 1981 war es möglich, Menschen auch ohne Gerichtsurteil oder psychiatrisches Gutachten wegzusperren, sei es wegen «Arbeitsscheu», «lasterhaften Lebenswandels» oder «Liederlichkeit».

Im April 2013 hatte sich Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Namen des Bundesrats für das Leid entschuldigt, das den Betroffenen angetan worden ist. Es handelt sich um schätzungsweise 10’000 bis 15’000 Personen.

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