Was genau macht die Stadtbildkommission? Wieviel Einfluss hat sie? Wer steht dahinter? Der Architekt Mathis Müller und der visuelle Gestalter Christian Stauffegger sind zwei Vertreter dieses Gremiums und standen uns Red und Antwort.
Um Stadtentwicklung effektiv zu betreiben, sind die Kompetenzen auf verschiedene Gremien verteilt. Für den ästhetischen Zugang ist in der Stadt Basel die Stadtbildkommission zuständig. Wir hatten Gelegenheit, uns mit zwei Vertretern der Stadtbildkommission zu unterhalten. Mit dabei waren Mathis Müller, Architekt, Mitglied des Fachsekretariats, und Christian Stauffenegger, Visueller Gestalter. Uns interessierte, wie sie ihre Aufgabe wahrnehmen und wie dabei Entscheidungen getroffen werden, in einem alltäglichen Bereich, wozu beinahe jeder und jede eine Meinung hat. Das Gespräch führten Silvano Arioli und Pascale Lustenberger.
Wofür ist die Stadtbildkommission zuständig?
Mathis Müller: Unser Auftrag von der Stadt und der Bevölkerung ist es, dafür einzustehen, dass eine gute Gesamtwirkung entsteht. Dieser Auftrag hat mit der unmittelbaren Umgebung einer Liegenschaft zu tun, oder architektonisch gesprochen: mit dem Kontext.
Wie wird die Stadtbildkommission aktiv?
MM: Grundsätzlich wird jedes Baugesuch, das eingereicht wird, auf verschiedene Bestandteile geprüft. Da gibt es zum Beispiel baugesetzliche Aspekte, die durch das Bauinspektorat beurteilt werden. Bei energetischen Themen ist das Amt für Umwelt und Energie zuständig. Diese Vorprüfungen werden durch sogenannte Vorinstanzen vorgenommen und eine davon stellt auch die Stadtbildkommission dar. Einige Mitglieder der Kommission sind Architekten, die das Baugesetz kennen, doch das ist nicht unser Schwerpunkt. Ihr in der Stadtbildkommission gefragtes Wissen und ihre Erfahrung betreffen die Thematik des Stadtbilds. Wir achten auf die Erscheinung der Gebäude oder auf einzelne Gebäudeelemente. Im Weiteren betrachten wir das zu beurteilende Objekt in einem grösseren Zusammenhang. Deshalb Stadtbild, es geht nicht nur um das isolierte Objekt.
Christian Stauffenegger: Vielleicht kann man ergänzen, dass es immer ein Spannungsfeld gibt zwischen dem privaten und dem öffentlichen, dem kollektiven Interesse. Es gibt den einzelnen Hausbesitzer, der ein eigenes Interesse hat und das Recht, sich zu äussern. Aber trotzdem besteht auch ein kollektives Interesse, da sollte sich das Gegenüber äussern können. Ich meine, dies ist keine Frage des Luxus, sondern ein kultureller Beitrag.
Über die Kompetenzen der Stadtbildkommission wurde schon des Öftern heftig diskutiert, worum ging es dabei?
MM: Vor zwei Jahren wurde die Notwendigkeit einer Stadtbildkommission politisch hinterfragt. Es ging darum, dass die Kompetenz des Bauinspektorats, das heute die baugesetzlichen Aspekte der Gesuche zu prüfen hat, erweitert wird. Die Stadtbildkommission hingegen soll neu beratend wirken und Empfehlungen abgeben können. Der Konflikt einer gesetzlichen wie auch ästhetischen Beurteilung durch ein und dieselbe Instanz war das Thema. Die Politik wurde diesbezüglich von der Fachwelt eindeutig aufgefordert, die Stadtbildkommission als Entscheidungsgremium zu bewahren. Wenn die Kommission nur noch beratend eingesetzt wird und der Bauinspektor die Entscheidungen zu treffen hat, wird dem Aspekt der Stadtgestalt zu wenig Rechnung getragen. Als Ergebnis verschiedener Debatten wurde politisch entschieden, die Kompetenz der Stadtbildkommission zu belassen, ja sogar zu stärken.
«Wir betrachten das zu beurteilende Objekt in einem grösseren Zusammenhang. Deshalb Stadtbild, es geht nicht nur um das isolierte Objekt.»
Was hat sich mit der Neuorganisation verändert?
MM: Die Vorbesprechungen sind neu und die Besetzung des Präsidiums. Denn bis zu diesem Wechsel war der Regierungsrat und Vorsteher des Bau- und Verkehrsdepartements auch Präsident der Kommission. Seit Juli 2013 wird das Amt des Präsidenten durch eine Fachperson – Martin Steinmann – und nicht mehr durch eine politische Person wahrgenommen. Das bedeutet, dass die Stadtbildkommission nicht Teil der Verwaltung ist und dadurch autonomer agieren kann. Sie ist eigenständig und politisch weniger eingebunden. Ein Politiker in dieser Position läuft rascher Gefahr, einem Interessenkonflikt zu unterliegen. Deshalb ist man der Überzeugung, dass ein eigenständiges Gremium unabhängiger wirken kann.
Wenn ein Baugesuch bewilligt wurde, muss man dann noch mit nachträglichen Vorgaben Ihrerseits rechnen?
MM: Nein. Das ist die Idee eines Baugesuchs. Kritische Punkte sollen anhand des Gesuchs behandelt und Lösungen gefunden werden, bevor gebaut wird. Aus unserer Sicht betrifft dies die ästhetischen, es können aber auch baurechtliche Aspekte sein, die durch das Bauinspektorat geprüft werden. Es gibt jedoch leider auch Gesuche, die nachträglich eingereicht werden müssen, weil etwas ohne Baubewilligung erstellt wurde. Dies sind heikle Momente, weil diese nur über einen Rückbau gelöst werden können. Hier muss eine Abwägung unter Einbezug der Verhältnismässigkeit stattfinden. Für den Gesuchsteller steht sein Objekt im Zentrum der Betrachtung, wir sind verpflichtet, den Blick auf das Gesamtbild unter Einbezug der unmittelbaren Umgebung zu fokussieren.
CS: Ausserdem haben wir eine Frist einzuhalten. Innerhalb von zwei Wochen sind die Gesuche zu bearbeiten. Wir arbeiten die Gesuche wöchentlich ab. Und wenn Gesuche mit grösserer Tragweite – für die Stadt relevante Bebauungen – eingereicht werden, ist die Gesamtkommission für die Beurteilung zuständig, die monatlich tagt. Der Gesuchsteller kann auch Rekurs gegen einen Entscheid der Stadtbildkommission einlegen. Dieser Rekurs geht an die Baurekurskommission. Der Gesuchsteller hat also die Möglichkeit, jeden Entscheid der Stadtbildkommission anzufechten und nochmals durch ein neues Gremium prüfen zu lassen.
Gibt es Beispiele, bei denen die Stadtbildkommission ihren Einfluss nicht geltend macht?
MM: In Nummernzonen kann dies vorkommen. Wenn die gesetzlichen Parameter eingehalten werden und ein ästhetischer Mangel nur sehr schwierig zu begründen ist. Hierbei handelt es sich um Zonen ausserhalb Schon- oder Schutzzonen. Hier ist oft ein bauliches Potential vorhanden. Der Aspekt einer guten Gesamtwirkung wird hier oft mit Blick auf die künftige Bebauungsweise gelegt und ist möglicherweise im Moment nicht direkt nachvollziehbar. Als Beispiel gab es letzthin viel Unverständnis aus der Bevölkerung, weil zwischen zwei zweigeschossige Bauten ein fünfgeschossiger Neubau erstellt wurde. Die Stadt hat in diesem Gebiet ein enormes Potential zum Thema des verdichteten Bauens.
Wie kommen Sie zu Entscheidungen innerhalb der Stadtbildkommission?
CS: Wichtig ist, dass es hier keine Einzelentscheidungen gibt, sondern aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und diskutiert wird. Auf der Fachebene. Andererseits muss die Stadt auch ein lebendiger Ort sein, der sich wirtschaftlich und kulturell entfalten kann und in dem zum Beispiel Beschriftungen notwendig sind. Wir versuchen uns auch immer in die Lage des Gesuchstellers hineinzuversetzten. Doch die Frage bleibt: Wie geht man damit in der jeweiligen Situation um?
«In der Steinenvorstadt, einer Kinostrasse, ist werbetechnisch mehr möglich als anderswo. Da herrscht anderes Leben, dort bewegt sich ein anderes Publikum als in der Altstadt.»
MM: In der Vielzahl der heutigen Möglichkeiten der Bauindustrie liegt vermutlich auch die Schwierigkeit der Konzentration auf Wesentliches oder auf eine Festlegung von Parametern der Gestaltung. Unsere Aufgabe kann hier darin bestehen, dass wir den Gesuchsteller auf Wesentliches im Bezug auf das Stadtbild aufmerksam machen können.
CS: Zur Veranschaulichung: In der Steinenvorstadt, einer Kinostrasse, ist werbetechnisch mehr möglich als anderswo. Da herrscht anderes Leben, dort bewegt sich ein anderes Publikum als in der Altstadt. Ausserdem kann das ja auch wieder verändert werden. Oder auch am Bahnhof sind die Voraussetzungen andere, wenn eine Fernwirkung bestehen soll. Das macht es so schwierig, Regeln fest zu legen. Es geht immer auch um den Kontext.
Sie haben vorhin schon über die Gesamtwirkung besprochen. Was bedeutet das im Hinblick auf das Thema Farbe?
CS: Es gibt ja keine unschönen Farben, es ist eine Frage des Kontextes. Wo oder auf welchen Materialien wird die Farbe eingesetzt und eben: Wie funktioniert sie in der Umgebung.
MM: Es gab Zeiten in welcher die Farbgebung nicht eine so zentrale Rolle spielte wie heute. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden grelle Farben seltener verwendet. Man ging klassischer vor und verwendete dumpfere, vielleicht auch eher natürlichere Farbtöne. Man könnte behaupten, dass solche Empfindungen an die jeweilige Zeit gebunden sind. Wir versuchen, dem Aspekt der Farbe Rechnung zu tragen und einen sorgsamen Blick auf auf die Bebauung und die Umgebung zu werfen. Insofern ist es wesentlich, dass man immer neu beurteilt und dies auch wiederum hinterfragen kann.
CS: Wir hatten schon Fälle, wo einer sein Haus in einer kräftigen Farbe strich, was sich beim Nachbarn auf die Lichtfarbe in seiner Wohnung ausgewirkt hat durch die Reflexion. Der einzelne Hausbesitzer hat dann seine Wunschfarbe, doch der Nachbar trägt die Wirkung mit. Manchmal gibt es auch Einsprachen der Nachbarn, wenn in einer Häuserzeile ein Haus hervorsticht und somit das Gesamtensemble gestört wird.
MM: Die Gesuche sind zum einen aufgrund der eingereichten Planunterlagen beurteilbar, oft ist jedoch ein Augenschein der örtlichen Situation notwendig, um überhaupt ein Gesuch beurteilen zu können. Diese finden wöchentlich und durch eine kleinere Delegation der Stadtbildkommission, zusammen mit dem Fachsekretariat, statt.
Wie beurteilen sie die Nachhaltigkeit der Stadtentwicklung aus Ihrer Perspektive?
MM: Eine nachhaltige Stadtentwicklung muss sich laufend verändern und ergänzen können. Deshalb unterscheiden sich die Beurteilungskriterien der Stadtbildkommission gegenüber den gesetzlichen Kriterien insofern, dass sie intensiver überprüft und vielleicht auch angepasst werden müssen. Die Bauten sollen auf jeden Fall individuell beurteilt werden können und müssen oft auch aufgrund ortspezifischer Gegebenheiten unterschiedlich beurteilt werden.
CS: Die Stadt ist ja nicht fertig gebaut. Es gibt einen konstanten Erneuerungs-Prozess der Stadt. Den müssen wir steuern. Man muss die Balance zwischen Erneuerung und Tradition halten. Daraus entsteht die gestalterische Gesamtwirkung oder die Identität der Stadt. Das ist ein Begriff, den die Stadtbildkommission zu definieren versucht.