Es gibt sie noch, die Könige

Viele tausend Kronen werden am heutigen Dreikönigstag aufgesetzt, in der Familie, im Büro, überall. Kinder schwelgen in der Vorstellung, einen Tag lang das Sagen zu haben. Schnappen sich Erwachsene die Plastikfigur im Kuchen, geht den Auserkorenen vielleicht einen kurzen, verschämten Augenblick lang durch den Kopf, wie es wäre, wenn … Aber dann: Die Arbeit geht weiter, […]

Viele tausend Kronen werden am heutigen Dreikönigstag aufgesetzt, in der Familie, im Büro, überall. Kinder schwelgen in der Vorstellung, einen Tag lang das Sagen zu haben. Schnappen sich Erwachsene die Plastikfigur im Kuchen, geht den Auserkorenen vielleicht einen kurzen, verschämten Augenblick lang durch den Kopf, wie es wäre, wenn … Aber dann: Die Arbeit geht weiter, Könige gibt es ohnehin nicht.

Oh doch, natürlich gibt es sie. In der Schweiz zwar nicht. Die Eidgenossenschaft ist seit jeher eine Trutzburg gegen jegliches monarchistische Gehabe. Adlige haben nichts zu suchen hierzulande – ausser sie machen Ferien wie die Windsors hin und wieder in Klosters oder sie liegen in Gräbern wie die letzten Habsburger in Muri. Sonst aber, so scheint es, gibt es einen auf die Kappe, wenn jemand seinen Kopf zu lange zu hoch obenaus trägt und sich etwa als sogenannter Dorfkönig besondere Rechte herausnehmen will. Der republikanische Reflex funktioniert in der Schweiz, wie die Artikel auf Seiten 10 und 12 zeigen. Das heisst allerdings noch lange nicht, dass die Gleichheit unter den Leuten ausgeprägter wäre als in einem Land, wo Könige residieren. Vorrechte, Riesenvermögen und Privilegien geniessen in der Schweiz eine gewisse Diskretion.

Mehr Diskretion – das wünschten sich natürlich auch die Mitglieder der königlichen Familien von Schweden bis Spanien, von England bis Monaco. Ein frommer Wunsch, leben doch Hunderte von Erzeugnissen aus der Regenbogenpresse davon, dass Woche für Woche neue Geschichten, Gerüchte und immer weitere Details aus den Königspalästen dringen. Offenbar sind viele Leute gierig danach, und wenn dann wieder Mal ein Prinz heiratet, fiebert die halbe Welt dem Ereignis entgegen. Die Adligen als Unterhaltungsclowns auf der Glitzerwelttribüne. Erschöpft sich ihre Rolle darin? Nein, sagt Jürgen Krönig, langjähriger England-Korrespondent für verschiedene Radiostationen und Zeitungen, unter anderem für «Die Zeit». Er hat die Königshäuser, insbesondere das englische, intensiv beobachtet und kommt zum erstaunlichen Schluss, dass es sie weiterhin braucht.

Artikelgeschichte

Erschienen in der gedruckten TagesWoche vom 06/01/12

Nächster Artikel