Mit Schrecken lese ich, wo im Baselbiet überall gespart werden soll: Vor allem bei denen, die schon keinen einfachen Stand haben in unserer Gesellschaft. Mein offener Brief an die Baselbieter Regierung.
Ich bin nun 22 Jahre alt und eine von den «Gschtudierte», welche von der für die Bildung zuständigen Regierungsrätin Monica Gschwind mit Misstrauen bedacht werden. Leichtfertig habe ich mich aber nicht zu einem Studium entschlossen. Davor habe ich eineinhalb Jahre in sozialen Institutionen mit Menschen mit Behinderungen gearbeitet. Also in Einrichtungen, bei denen nun gespart werden soll.
Wenn gespart werden muss (und das muss man, nachdem lange Steuern gesenkt wurden und unsinnige Ausgaben der bürgerlich dominierten Regierung die ursprünglich gute Finanzlage des Kantons in Schieflage gebracht haben), dann sind das laut dem Sprecher des Volkswirtschafts- und Gesundheitsdepartements finanzpolitische Entscheide, bei denen fachliche Überlegungen weniger eine Rolle spielen. Ist das vielleicht schon eine erste Auswirkung der Skepsis gegenüber «Gschtudierte»? Was ist das für ein Staat, der seine Entscheide nur finanzpolitisch begründet?
Was ist das für ein Staat, der seine Entscheide nur finanzpolitisch begründet?
Sonderschulen brauchen Geld, da noch viele weitere Angebote abgedeckt werden müssen, nicht bloss der schulische Unterricht. So braucht es teilweise Physio-, Ergotherapie und Logopädie. Diese Therapien möglichst früh zu beginnen ist sinnvoll, da im Kindesalter viel mehr und einfacher beeinflusst werden kann als später, wenn der Körper ausgewachsen ist. Und wenn solche Institutionen ihr Angebot einschränken müssen, werden dadurch die betroffenen Menschen nicht weniger, nur isolierter. Entspricht das Ihrer zumeist «liberalen Grundhaltung»?
Ein anderer Punkt, wo gespart werden soll, ist die Drogenprävention. Auch hier ein finanzpolitischer Entscheid ohne Weitsicht. Prävention ist um ein Vielfaches billiger, als wenn man später zum Beispiel die Folgen einer langjährigen Drogensucht behandeln muss.
Für ältere Menschen mit kleiner Rente wird das U-Abo zum Luxus.
Auch die Pendler sollen nicht ungeschoren davonkommen. So soll das U-Abo stark teurer werden. Für ältere Menschen mit kleiner Rente wird so das U-Abo zum Luxus. Der Verkehr auf den Strassen wird dafür zunehmen, da haben sie vorgesorgt. 1,8 Milliarden Franken sollen in den Strassenbau fliessen.
Ich habe nur einige Sparbeispiele genannt. Der rote Faden, der sich durch diese Sparpolitik zieht, ist eindeutig: Kurzfristiges Denken, das grosse negative Spätfolgen nach sich ziehen wird. Wenig fachlich begründete, inhaltlich gefestigte Entscheide.
Es wird ein «soziales Endlager» geschaffen.
Es graut mir davor, diese nachhaltige Zerstörung der Sozialwerke, des ÖVs und der Bildung mitanzusehen. Wahrscheinlich werden die Folgen erst in 20 Jahren sichtbar sein und die nächste Generation wird einen Umgang damit finden müssen. Pointiert kann man die Situation so zusammenfassen: Weniger Soziales, weniger Bildung, mehr Strassen, mehr Kriminalität. Ein «soziales Endlager», das spätere Generationen werden beseitigen müssen.
Ich bin auch dafür, dass der Staat spart, wenn es nötig ist. Aber ich bitte Sie eindringlich, dass Sie Ihre Entscheide mit der Zukunft im Auge fällen, dass sie fachliche Ratschläge miteinbeziehen und nicht nur den roten Stift sprechen lassen. Politisieren Sie nicht am Volk vorbei, denn wie es in der Präambel der Bundesverfassung steht: «Die Stärke des Volkes misst sich am Wohl der Schwachen.»
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