In Frankreich haben am Sonntag über eine Million Menschen der Opfer der islamistischen Anschläge gedacht. Vor dem Gedenkmarsch berieten EU-Innenminister sowie Vertreter der US-Regierung über Massnahmen gegen den Terrorismus.
Unter strahlend blauem Himmel waren bereits ab dem Mittag Hunderttausende Menschen in die Pariser Innenstadt geströmt. Am Nachmittag setzte sich der Zug dann am Platz der Republik in Bewegung.
Nach Veranstalterangaben waren bis zu 1,5 Millionen Menschen in Paris auf den Beinen. Das französische Fernsehen sprach von der grössten Kundgebung in Paris seit dem Ende Zweiten Weltkriegs. Der Gedenkmarsch im Stadtzentrum wurde von rund 2200 Einsatzkräften abgesichert.
Politiker hinter Angehörigen
Ganz vorne liefen Familienangehörige der insgesamt 17 Opfer der terroristischen Angriffe mit. Ihnen folgten nach einer Schweigeminute die Politiker.
Am Marsch nahmen unter anderem die deutsche Kanzlerin Angela Merkel, der britische Premierminister David Cameron, EU-Ratspräsident Donald Tusk, Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas teil. Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga war beim ukrainischen Präsident Petro Poroschenko und dem italienischen Ministerpräsidenten Matteo Renzi untergehakt.
Neben der gesamten französischen Regierung und vielen weiteren Politkern wie den Ex-Präsidenten Jacques Chirac und Nicolas Sarkozy reihten sich auch zahlreiche Vertreter von kirchlichen Organisationen, Gewerkschaften, Parteien, Medien und Verbänden in den Gedenkzug ein.
Plakate und Sprechchöre
Der Marsch sollte bis zum Platz der Nation führen, der jedoch schon zu Beginn der Kundgebung völlig überfüllt war. Viele Demonstranten schwenkten französische Fahnen und sangen die Nationalhymne.
Immer wieder wurde in Sprechchören «Charlie, Charlie» gerufen, unzählige Demonstranten hielten Schilder mit der Aufschrift «Je suis Charlie» hoch. Mit diesem Bekenntnis demonstrieren zahllose Menschen in ganz Frankreich und weltweit seit Mittwoch für Toleranz, Demokratie und Meinungsfreiheit.
«Ich bin hier, um zu zeigen, dass die Terroristen nicht gewonnen haben» sagte die 34-jährige Franko-Marokkanerin Zakaria Moumni. «Im Gegenteil sie bringen die Menschen aller Religionen zusammen.» Auf einem handgeschriebenen Plakat war ein Zitat von Thomas Jefferson zu lesen: «Unsere Freiheit beginnt mit der Freiheit der Presse.»
Anlässe in ganz Europa
Auch abseits des zentralen Gedenkmarschs in Paris gingen in zahlreichen französischen Städten am Sonntag wieder mehr als 600’000 Menschen auf die Strasse. Die mit Abstand grösste Kundgebung gab es mit bis zu 200’000 Teilnehmern in Lyon, gefolgt von Bordeaux, Marseille und Rennes.
Auch in Berlin, Madrid, London, Brüssel, Sydney und vielen weiteren Grossstädten solidarisierten sich tausende Menschen mit den französischen Opfern. In Lausanne füllte sich am Sonntagnachmittag die Place de la Riponne mit Hunderten Menschen. Bereits am Tag davor hatten in Genf und Bellinzona Solidaritätsaktionen stattgefunden.
«Wir dürfen nicht erstarren, wir müssen reagieren»: Mit diesen Worten kommentierte Sommaruga die Anschläge in Frankreich. «Das Wichtigste ist im Moment, dass wir hinstehen und gemeinsam unsere Werte verteidigen», sagte Sommaruga in einem Interview mit der «SonntagsZeitung».
Mehrere islamistische Terroranschläge, Morde und Geiselnahmen hatten in der vorigen Woche das Leben von 17 Menschen ausgelöscht. Allein der Überfall auf die Redaktion der Satirezeitschrift «Charlie Hebdo» forderte am Mittwoch zwölf Tote. Die Täter wurden am Freitagnachmittag bei Einsätzen von der Polizei erschossen.
Beratungen über Terrorabwehr
Vor dem Gedenkmarsch waren die Innenminister mehrerer EU-Staaten sowie ranghohe Vertreter der US-Regierung und der EU zu Beratungen über den Kampf gegen den Terrorismus zusammengekommen. An dem Treffen im französischen Innenministerium nahmen unter anderem Frankreichs Ressortchef Bernard Cazeneuve, der deutsche Innenminister Thomas de Maizière und US-Justizminister Eric Holder teil.
Im Mittelpunkt standen eine engere Zusammenarbeit der Geheimdienste, der Kampf gegen islamistische Propaganda und ein besserer Informationsaustausch über westliche Dschihadisten.
Hollande und die deutsche Kanzlerin Angela Merkel sprachen in Paris zudem mit dem ukrainischer Präsidenten Petro Poroschenko über die Ukraine-Krise. Russlands Aussenminister Sergej Lawrow, der ebenfalls zu dem Gedenkmarsch nach Paris gekommen war, nahm nicht an der Unterredung zur Ukraine teil.