EU beruft Krisensitzung nach neuer Flüchtlingskatastrophe ein

Nach der neuen Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer hat die Europäische Union eine Krisensitzung einberufen. Die EU-Kommission äusserte sich am Sonntag in Brüssel «zutiefst betroffen» von dem Unglück mit Hunderten Toten.

Boje im Mittelmeer markiert die Unglücksstelle. (Archiv) (Bild: sda)

Nach der neuen Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer hat die Europäische Union eine Krisensitzung einberufen. Die EU-Kommission äusserte sich am Sonntag in Brüssel «zutiefst betroffen» von dem Unglück mit Hunderten Toten.

Die EU kündigte eine Dringlichkeitssitzung der Innen- und Aussenminister der EU-Länder an. Dabei solle es vor allem darum gehen, mit den Herkunfts- und Transitländern daran zu arbeiten, die Flüchtlinge von der gefährlichen Reise über das Mittelmeer abzuhalten.

Italiens Regierungschef Matteo Renzi sagte alle Termine ab und reiste nach Rom zurück, wo er für den späten Nachmittag ein Ministertreffen einberief. Frankreichs Präsident François Hollande telefonierte mit Renzi. «Wir haben darüber beraten, wie wir rasch handeln können», sagte Hollande laut dem französischen Sender «Canal Plus».

Italiens Innenminister Angelino Alfano berichtete EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos über die neue Flüchtlingstragödie im Mittelmeer. Der EU-Kommissar wird am Donnerstag in Rom zu Gesprächen erwartet.

Papst: «Männer und Frauen wie wir»

Kritiker werfen der EU seit langem Tatenlosigkeit angesichts des Massensterbens im Mittelmeer vor. Zu diesen Kritikern zählt auch Papst Franziskus. Er rief die internationale Gemeinschaft am Sonntag auf, angesichts der sich häufenden Flüchtlingstragödien «entschieden und schnell» zu handeln.

Mit Blick auf das Unglück sagte er beim Angelus-Gebet vor den Gläubigen auf dem Petersplatz, es seien «Männer und Frauen wie wir, Brüder auf der Suche nach einem besseren Leben». Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International sprach von einer «von Menschen gemachten Tragödie».

Noch keine bestätigten Opferzahlen

Italien hatte im vergangenen Herbst die Rettungsmission «Mare Nostrum» eingestellt, weil sich die EU-Partner nicht an der Finanzierung des Marineeinsatzes beteiligen wollten. Seitdem läuft unter Führung der EU-Grenzschutzagentur Frontex die deutlich kleinere Mission «Triton», die aber vorwiegend der Sicherung der EU-Aussengrenzen und nicht der Rettung der Flüchtlinge dient.

Einige EU-Staaten hatten Italien vorgeworfen, mit «Mare Nostrum» die Flüchtlinge zu der gefährlichen Überfahrt ermutigt zu haben. Kritiker werfen der EU nun aber vor, mit «Triton» den Tod von Flüchtlingen in Kauf zu nehmen.

Bei dem neuen Schiffsunglück vor der libyschen Küste kamen in der Nacht zum Sonntag Hunderte Menschen ums Leben. Augenzeugen berichteten von bis zu 700 Insassen auf dem gekenterten Boot.

Das UNO-Flüchtlingshochkommissariat UNHCR sprach von bis zu tausend Flüchtlingen. Es geht davon aus, dass es keine weiteren Überlebenden gibt. Wenn sich die ersten Informationen zu dem Unglück bestätigen, war es die bisher grösste Flüchtlingskatastrophe im Mittelmeer.

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