Die EU-Staats- und Regierungschefs diskutieren innert dreier Wochen zum zweiten Mal über die Flüchtlingskrise. Vor dem Treffen am Donnerstagabend gab es anscheinend eine Einigung zwischen der Türkei und der EU über einen Plan zur Einschränkung des Flüchtlingsandrangs.
EU-Erweiterungskommissar Johannes Hahn bestätigte eine Einigung der EU-Kommission mit der Türkei auf einen Aktionsplan zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Er war am Mittwoch zusammen mit EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans in die Türkei gefahren.
«Es ist wesentlich, das Verhältnis mit der Türkei auf eine neue Grundlage zu stellen», sagte Hahn am Donnerstag in einem Telefonat mit der APA nach Gesprächen mit der türkischen Staatsführung in Ankara.
Die Visa-Liberalisierung mit der Türkei solle vorangetrieben werden und stehe im Frühjahr nächsten Jahres auf der Tagesordnung des EU-Gipfels, sagte Hahn. Die EU könne sich aber nicht auf einen Zeitpunkt zur Abschaffung der Visapflicht festlegen.
Gleichzeitig soll eine «neue Dynamik» durch die Eröffnung von neuen Kapiteln in den EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei entstehen, eine konkrete Zahl sei nicht vereinbart worden. Die EU-Staaten müssten der Türkei auch erhebliche Finanzmittel zur Verfügung stellen. Hahn: «Da muss man zwei bis drei Milliarden Euro ins Auge fassen.»
Hollande gibt sich vorsichtig
Diese Einigung kommt gerade rechtzeitig, so dass sich die «EU-Chefs» am Donnerstagabend mit dem Aktionsplan befassen können. Denn die Türkei ist für die Europäer ein Schlüsselstaat bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise.
Die EU-Kommission hatte vergangene Woche einen Aktionsplan für die Kooperation mit der Türkei vorgelegt, die selber rund zwei Millionen Syrien-Flüchtlinge aufgenommen hat.
Der französische Präsident François Hollande warnte jedoch davor, der Türkei zu schnell Visa-Erleichterungen einzuräumen, um eine Zusammenarbeit in der Flüchtlingskrise zu erreichen.
Es müssten klare Bedingungen an diese Visa-Liberalisierung geknüpft werden, damit Reisende überprüft werden könnten, sagte der Franzose. «Frankreich und andere EU-Ländern werden das genau prüfen.» Dem Vernehmen nach äusserten sich auch Griechenland und Zypern skeptisch.
Zu wenig Personal und Geld
Die «EU-Chefs» diskutieren ausserdem über die Bereitstellung von Geld und Personal zur Bewältigung der Flüchtlingskrise. Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel forderte etwa zu Beginn des Treffens die EU-Partnerländer auf, ihre Verpflichtungen endlich zu erfüllen.
Sie betonte: «Es ist ja offensichtlich, dass einige wenige Länder im Augenblick sehr, sehr viele Flüchtlinge haben, und wenn die auch noch an den Aussengrenzen alle Personalkapazitäten stellen müssen, dann wäre das nicht das, was wir unter einer fairen Lastenverteilung verstehen.»
EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker bekräftigte die Kritik, dass es für die stark belasteten Ankunftsländer Italien und Griechenland zu wenig personelle Unterstützung gebe.
Beim benötigten Personal für die EU-Grenzagentur Frontex und die Asylstelle Easo fehle es noch immer an den notwendigen verbindlichen Zusagen aus den Hauptstädten, sagte er. Laut Kommission wurden bei einem Bedarf von 1145 Experten bisher nur 129 Beamte von den Mitgliedsstaaten abgestellt.
Und auch beim Geld hapert es: Viele Staaten hatten finanzielle Unterstützung für die Nachbarländer Syriens zugesagt, bis jetzt aber den Worten keine Taten folgen lassen. «Die Mitgliedsstaaten sind im Verzug» und müssten nun umgehend versprochene 2,25 Milliarden Euro freigeben, kritisierte Juncker. Und EU-Ratspräsident Donald Tusk räumte ein, bei den finanziellen Zusagen müssten die Mitgliedsstaaten «deutlich besser» werden.